„Pornografie im Internet“ – Versionsunterschied

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Der Begriff der Pornografie wird von der Rechtslehre differenziert definiert als eine das Obszöne betonende Darstellung geschlechtlicher Vorgänge in Wort und Bild. Nach der '''Realismus-Konzeption''' liegt Pornografie schon dann vor, wenn sexuelle Vorgänge in gestellten Szenen ohne Sinnzusammenhang und das Wesen der Sexualität, welche natürlicherweise untrennbar mit Emotionalität verbunden ist, verfälschend dargestellt werden. Nach der '''Tendenz-Konzeption''' ist Pornografie gegeben, wenn die Darstellungen vornehmlich auf die Triebbefriedigung des Betrachters abzielen. Nach der '''Objekt-Konzeption''' degradiert die Pornografie den Menschen zum auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Befriedigung.<ref>{{Literatur |Autor=Günther Kaiser |Titel=Kriminologie: ein Lehrbuch |Auflage=3. |Verlag=C. F. Müller |Ort=Heidelberg |Datum=1996 |Seiten=790}} - {{Google Buch |BuchID=Z9Vu_jrqIR8C |Seite=790}}</ref> Eine juristisch für alle Fälle generelle Definition gibt es nicht und wird von § 184 StGB bewusst der Rechtsprechung überlassen, da die Definition der Pornografie auch von der gesellschaftlichen Werteentwicklung und der individuellen Sexualmoral abhängig ist. Hierbei kann bereits die Darstellung eines oder mehrerer nackter Menschen individuell als Pornografie definiert werden.<ref>{{Literatur |Autor=Artur-Axel Wandtke, Claudia Ohst |Titel=Persönlichkeitsrecht und Medienstrafrecht |Auflage=3. |Verlag=Walter de Gruyter GmbH & Co KG |Ort=Berlin |Datum=2014-09-10 |Seiten=249}} - {{Google Buch |BuchID=AwHpBQAAQBAJ |Seite=249}}</ref> Bei der Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 1973 wurde der seinerzeitige Begriff "unzüchtig" durch "pornografisch" ersetzt mit dem Ziel, den Begriff unabhängig der individuellen Moralvorstellung zu objektivieren.
Der Begriff der Pornografie wird von der Rechtslehre differenziert definiert als eine das Obszöne betonende Darstellung geschlechtlicher Vorgänge in Wort und Bild. Nach der '''Realismus-Konzeption''' liegt Pornografie schon dann vor, wenn sexuelle Vorgänge in gestellten Szenen ohne Sinnzusammenhang und das Wesen der Sexualität, welche natürlicherweise untrennbar mit Emotionalität verbunden ist, verfälschend dargestellt werden. Nach der '''Tendenz-Konzeption''' ist Pornografie gegeben, wenn die Darstellungen vornehmlich auf die Triebbefriedigung des Betrachters abzielen. Nach der '''Objekt-Konzeption''' degradiert die Pornografie den Menschen zum auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Befriedigung.<ref>{{Literatur |Autor=Günther Kaiser |Titel=Kriminologie: ein Lehrbuch |Auflage=3. |Verlag=C. F. Müller |Ort=Heidelberg |Datum=1996 |Seiten=790}} - {{Google Buch |BuchID=Z9Vu_jrqIR8C |Seite=790}}</ref> Eine juristisch für alle Fälle generelle Definition gibt es nicht und wird von § 184 StGB bewusst der Rechtsprechung überlassen, da die Definition der Pornografie auch von der gesellschaftlichen Werteentwicklung und der individuellen Sexualmoral abhängig ist. Hierbei kann bereits die Darstellung eines oder mehrerer nackter Menschen individuell als Pornografie definiert werden.<ref>{{Literatur |Autor=Artur-Axel Wandtke, Claudia Ohst |Titel=Persönlichkeitsrecht und Medienstrafrecht |Auflage=3. |Verlag=Walter de Gruyter GmbH & Co KG |Ort=Berlin |Datum=2014-09-10 |Seiten=249}} - {{Google Buch |BuchID=AwHpBQAAQBAJ |Seite=249}}</ref> Bei der Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 1973 wurde der seinerzeitige Begriff "unzüchtig" durch "pornografisch" ersetzt mit dem Ziel, den Begriff unabhängig der individuellen Moralvorstellung zu objektivieren.


Die individuelle Gefährdung des sozialethischen Reifungsprozess von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden ergibt sich (auch nach Auffassung der [[Bundesprüfstelle_für_jugendgefährdende_Medien|BPjM]]) aus dem Wesen der Pornografie, sich auf die reine sexuelle Triebbefriedigung unter vollständiger Ausblendung von Beziehungsfähigkeit und Verantwortungsgefühlen zu beschränken und Sexualität unter Aussparung des emotional-geistigen Bereiches auf einen rein technischen Vorgang zu reduzieren.<ref>{{Internetquelle |autor=Elisabeth Tuider, Mario Müller, Stefan Timmermanns, Petra Bruns-Bachmann, Carola Koppermann |url=https://renaultolivier.files.wordpress.com/2016/06/sexualpc3a4dagogik_der_vielfalt.pdf |titel=Sozialpädagogik der Vielfalt - Praxismethoden zu Identitäten, Beziehungen, Körper und Prävention für Schule und Jugendarbeit |hrsg=Verlag C.H. Beck |datum=2012-00-00 |zugriff=2017-09-15 |format=PDF, 2,04 MB}}</ref> Eine weitere Gefahr wird von der Fachwelt in der Abstumpfung von natürlicher Scham und Ekel und dem Verlust der Möglichkeit der Jugendlichen gesehen, ihre Sexualität selber spielerisch zu entdecken. Nach Beurteilung des [[Freiwillige_Selbstkontrolle_Fernsehen#Zusammenarbeit_mit_den_Jugendschutzbeauftragten|Jugendschutzbeauftragten]] Heiko Richter aus dem Jahr 2008 sind jegliche Darstellungen eines erigierten Gliedes bzw. des offenen Blicks auf die Schamlippen der Frau sowie offen sichtbare Eigenmanipulationen am Geschlechtsbereich pornografisch und damit jugendgefährdend.<ref>{{Internetquelle |autor=Agon S. Buchholz |url=http://kefk.org/zensur/pornografie |titel=Pornografie |hrsg=Kefk Network |datum=2008-04-24 |zugriff=2017-09-15}}</ref> Laut [[Jakob Pastötter]], Präsident der deutschen Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Sexualforschung, kann die Rezeption pornografischer Inhalte gerade in der Phase der jugendlichen Entwicklung sexueller Präferenzen zu einer neuronalen [[Konditionierung]] des Gehirns hinsichtlich sexueller Präferenzen führen. Er verweist ferner auf das mangelnde Vermögen insb. junger Menschen, Medialität von der Realität zu unterscheiden.<ref>{{Literatur |Autor=Petra Grimm, Stefanie Rhein, Michael Müller |Titel=Porno im Web 2.0. Die Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte in der Lebenswelt von Jugendlichen |Auflage=3. |Verlag=Vistas Verlag |Ort=Berlin |Datum=2014-09-10 |Kommentar=Schriftenreihe der NLM, Band 25}} - {{Google Buch |BuchID=xF89AQAAIAAJ}}</ref> Des Weiteren ist die individuelle Wahrnehmung natürlich auch geschlechterspezifisch unterschiedlich. Bei Mädchen liegt die Schwelle zur Pornografie erheblich niedriger, welche Studien zufolge alles, was nicht als "ästhetisch schön", sondern als "nuttig" gilt, bereits ablehnen und mit Pornografie assoziieren, während Jungen Pornografie eher als "normal" ansehen.<ref>{{Internetquelle |autor=Petra Grimm |url=http://www.bayern.jugendschutz.de/ProJugend/Datei.aspx?InDID=10286&G=1061110&a=b |titel=Die Bedeutung der Pornografie in der Lebenswelt von Jugendlichen |hrsg=proJugend |datum=2010-04-00 |zugriff=2017-09-15 |format=PDF; 1 MB}}</ref>
Die individuelle Gefährdung des sozialethischen Reifungsprozesses von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden ergibt sich (auch nach Auffassung der [[Bundesprüfstelle_für_jugendgefährdende_Medien|BPjM]]) aus dem Wesen der Pornografie, sich auf die reine sexuelle Triebbefriedigung unter vollständiger Ausblendung von Beziehungsfähigkeit und Verantwortungsgefühlen zu beschränken und Sexualität unter Aussparung des emotional-geistigen Bereiches auf einen rein technischen Vorgang zu reduzieren.<ref>{{Internetquelle |autor=Elisabeth Tuider, Mario Müller, Stefan Timmermanns, Petra Bruns-Bachmann, Carola Koppermann |url=https://renaultolivier.files.wordpress.com/2016/06/sexualpc3a4dagogik_der_vielfalt.pdf |titel=Sozialpädagogik der Vielfalt - Praxismethoden zu Identitäten, Beziehungen, Körper und Prävention für Schule und Jugendarbeit |hrsg=Verlag C.H. Beck |datum=2012-00-00 |zugriff=2017-09-15 |format=PDF, 2,04 MB}}</ref> Eine weitere Gefahr wird von der Fachwelt in der Abstumpfung von natürlicher Scham und Ekel und dem Verlust der Möglichkeit der Jugendlichen gesehen, ihre Sexualität selber spielerisch zu entdecken. Nach Beurteilung des [[Freiwillige_Selbstkontrolle_Fernsehen#Zusammenarbeit_mit_den_Jugendschutzbeauftragten|Jugendschutzbeauftragten]] Heiko Richter aus dem Jahr 2008 sind jegliche Darstellungen eines erigierten Gliedes bzw. des offenen Blicks auf die Schamlippen der Frau sowie offen sichtbare Eigenmanipulationen am Geschlechtsbereich pornografisch und damit jugendgefährdend.<ref>{{Internetquelle |autor=Agon S. Buchholz |url=http://kefk.org/zensur/pornografie |titel=Pornografie |hrsg=Kefk Network |datum=2008-04-24 |zugriff=2017-09-15}}</ref> Laut [[Jakob Pastötter]], Präsident der deutschen Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Sexualforschung, kann die Rezeption pornografischer Inhalte gerade in der Phase der jugendlichen Entwicklung sexueller Präferenzen zu einer neuronalen [[Konditionierung]] des Gehirns hinsichtlich sexueller Präferenzen führen. Er verweist ferner auf das mangelnde Vermögen insb. junger Menschen, Medialität von der Realität zu unterscheiden.<ref>{{Literatur |Autor=Petra Grimm, Stefanie Rhein, Michael Müller |Titel=Porno im Web 2.0. Die Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte in der Lebenswelt von Jugendlichen |Auflage=3. |Verlag=Vistas Verlag |Ort=Berlin |Datum=2014-09-10 |Kommentar=Schriftenreihe der NLM, Band 25}} - {{Google Buch |BuchID=xF89AQAAIAAJ}}</ref> Des Weiteren ist die individuelle Wahrnehmung natürlich auch geschlechterspezifisch unterschiedlich. Bei Mädchen liegt die Schwelle zur Pornografie erheblich niedriger, welche Studien zufolge alles, was nicht als "ästhetisch schön", sondern als "nuttig" gilt, bereits ablehnen und mit Pornografie assoziieren, während Jungen Pornografie eher als "normal" ansehen.<ref>{{Internetquelle |autor=Petra Grimm |url=http://www.bayern.jugendschutz.de/ProJugend/Datei.aspx?InDID=10286&G=1061110&a=b |titel=Die Bedeutung der Pornografie in der Lebenswelt von Jugendlichen |hrsg=proJugend |datum=2010-04-00 |zugriff=2017-09-15 |format=PDF; 1 MB}}</ref>


== Siehe auch ==
== Siehe auch ==

Version vom 19. September 2017, 10:40 Uhr

Pornografie im Internet ist im Internet verbreitete Pornografie. Das Internet ist durch Anonymität, Verfügbarkeit und kostenlose Angebote zu einem wichtigen Verbreitungsweg von Pornografie geworden. Jugendschutz und strafrechtliche Verfolgung stoßen im Internet auf praktische Probleme.

Kostenpflichtige Angebote

Zur Abrechnung bei kostenpflichtigen Websites werden Kreditkarten, früher auch Dialer, verwendet. Durch strikte Regulierung in vielen europäischen Ländern (u. a. Schweiz) sowie die inzwischen starke Verbreitung von DSL-Leitungen, welche keine Wählverbindungen mehr verwenden, wurde die Verbreitung von Dialern jedoch praktisch auf Null reduziert.

Neben der Abrechnung über Kreditkarte nimmt die Abrechnung über sogenannte Micropayment-Systeme wie T-Pay, ClickandBuy in den letzten Jahren stark zu. Auch die elektronische Lastschrift findet weite Verbreitung. Häufig sind die Bezahlarten auch in Micropayment-Systeme integriert. Andere Bezahlvarianten wie Guthabenkarten sowie mobile Bezahlungsarten via Handy und Premium-SMS sind im Bereich Internet-Pornografie weniger verbreitet.

Eine weitere Quelle für Pornografie neben Websites sind Sharehoster, das Usenet und Filesharing-Systeme. Zu den gängigen Betrugsverfahren in sozialen Netzwerken gehört das E-Whoring, wo unter Vorspiegelung einer falschen Identität Abonnements bei Pornografie-Portalen verkauft werden.

Kostenlose Angebote

Speziell die etablierte Pornoindustrie büßt wegen der Gratis-Konkurrenz aus dem Internet deutlich an Umsatz ein. Mitte 2007 ließ der deutsche Anbieter Kirchberg Logistik GmbH für 2,7 Millionen Arcor-Kunden den Zugang zu drei ausländischen Seiten wie z. B. YouPorn mit der Begründung sperren, dass die Alterserklärung, sprich die bloße Erklärung, dass man das 18. Lebensjahr vollendet habe, nicht mit dem deutschen Recht vereinbar sei.[1] Die Sperrung wurde nach wenigen Tagen wieder aufgehoben.[2]

Auch der Betrachter der kostenlosen Pornoszenen macht sich für den Pornoseitenbetreiber gut bezahlt. Wenn der Betrachter durch die kostenlosen Seiten und deren Unterseiten blättert, werden jedes Mal Werbeanimationen eingeblendet. Dafür zahlt der Werbetreibende immer an den Pornoseitenbetreiber. Diese Bannerwerbung erfolgt auf „pay per view“ (jede Einblendung und Sichtbarmachung für den Betrachter) und/oder „pay per click“ (Anklicken auf Angebotsanimationen). Werbeanimationen können sich auf alles Mögliche beziehen: Datingseiten, Potenzmittel, Erreichbarkeit von Prostituierten usw.

Umfang

Laut einer Analyse der Online-Forscher von SimilarWeb aus dem Jahr 2013 bestehen 12,5 % aller Webseitenaufrufe in Deutschland aus Zugriffen auf pornografische Seiten. Gefolgt von den USA, Brasilien und Indien nimmt Deutschland damit weltweit die Spitzenposition ein.[3]

Rechtslage in Deutschland

Pornografie insgesamt wird in Form von pornografischen Schriften, Bildern, Tonträgern, Filmen und Videos am stärksten über pornografische Websites verbreitet. Das ist in Deutschland aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 u. § 184d StGB, § 119 Abs. 3 OWiG sowie § 4 Abs. 2 Satz 1 JMStV i.V.m. § 18 JuSchG, die neben dem Jugendschutz den Schutz Erwachsener vor ungewollter Konfrontation mit Pornografie bezwecken, unzulässig.[4][5] Ausnahmsweise ist die öffentliche Zugänglichmachung im Rahmen geschlossener Benutzergruppen, bei denen sichergestellt ist, dass die Teilnehmer nicht unter 18 Jahren alt sind, erlaubt (§ 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV, § 184d Satz 2 StGB). Zu diesem Zweck verlangen manche Betreiber dieser Websites die Eingabe einer Kreditkarten- oder Personalausweisnummer, um das Alter zu verifizieren. Eine solche Zugangsbeschränkung wird jedoch von der Rechtsprechung nicht als wirksam eingestuft. Vielmehr sind effektive Maßnahmen wie das Postident-Verfahren erforderlich.[6] Anbieter, die kein Altersnachweissystem (AVS) verwenden, machen sich dabei nach deutschem Recht strafbar. Öffentliche Sammlungen, die harte Pornografie enthalten, sind auch mit AVS strafbar.

Höchstrichterliche Rechtsprechung

Nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB gilt:

Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts, durch Zugänglichmachen pornographischer Inhalte mittels Informations- und Kommunikationstechnologie oder durch entsprechende Reden einwirkt.

Der Absatz 4 bezweckt den Schutz von Kindern (also bis 14 Jahren) vor pornografischen Abbildungen oder Darstellungen wie Zeichnungen, Gemälde, Fotos und Videos, welche deren sexuelle und seelische Entwicklung und soziale Orientierung ungünstig beeinflussen können (vgl. Leipziger Kommentar zu § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB). Die vorherrschende juristische Definition der Pornografie ergibt sich aus dem "Fanny-Hill-Urteil" des BGH aus dem Jahre 1969 (BGHSt 23, 40 ff; BGH 1 StR 456/68, Urteil v. 22. Juli 1969) zum Vorwurf der Verbreitung "unzüchtiger" Schriften. In dem Urteil führt der BGH aus, dass das Strafgesetz nicht die Aufgabe hat, auf geschlechtlichem Gebiet einen moralischen Standard des erwachsenen Bürgers durchzusetzen, sondern die Sozialordnung der Gemeinschaft vor Störungen und groben Belästigungen zu schützen. Des Weiteren definiert er hier, dass sowohl das Kriterium der sexuellen Darstellung, als auch jenes des Endzwecks der Triebbefriedigung erfüllt sein müssen, um ein Medium als Pornografie zu klassifizieren.[7]

Diese Definition wurde in einem späteren Urteil des BGH (BGHSt 37, 55; BGH 1 StR 477/89, Urteil v. 21. Juni 1990) zur Frage der Abgrenzung von Kunst und Pornografie herangezogen.[8] Hier kam es also noch vor der Reform des Jugendrechts bei Gültigkeit des GjS (Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften) zur Prüfung der Exklusivitätsthese, Kunst könne grundsätzlich keine Pornografie sein. Der Senat kam jedoch zu dem Schluss, dass die Kunstfreiheit nicht schrankenlos, sondern verfassungsimmanenten Grenzen unterworfen ist und es in Grenzbereichen (also z.B. bei Internetangeboten mit Darstellungen sexueller Handlungen zu pädagogischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken) zu Überschneidungen kommen kann. Er führt explizit in RN 10 f aus:

In Randzonen, namentlich auf literarischem Sektor wird es daher zu Überschneidungen kommen. Die Anerkennung von Überschneidungsmöglichkeiten wird auch dem vielschichtigen und nuancenreichen Spannungsverhältnis zwischen der grundgesetzlich garantierten Kunstfreiheit einerseits und den hinter den Straftatbeständen des § 184 StGB und des GjS stehenden Wertprinzipien des Jugend- und Belästigungsschutzes andererseits besser gerecht als die starre Entweder-Oder-Betrachtung der Exklusivitätstheorie. Sie beruht auf der Überlegung, dass zum Wesen der Kunst die "Übermittlung gedanklicher Inhalte", die "geistige Auseinandersetzung mit der Welt", die "Durchgeistigung und Sublimierung" gehöre, während Pornographie geschlechtliche Vorgänge gerade "ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen" darstelle, alle menschlichen Bezüge ausklammere und einen geistigen Bezug oder eine schöpferische Gestaltung gerade vermissen lasse. Danach könne Kunst zwar obszön, nicht aber pornographisch sein. Mit dem begrifflichen Ausschluß von Kunst und Pornographie, so meinen die Vertreter der Exklusivitätstheorie, werde der Streit um die Grenzen der Kunstfreiheit aus dem Anwendungsbereich des § 184 StGB verbannt, der früher als lästig und peinlich empfundene Konflikt zwischen § 184 StGB und Art. 5 Abs. 3 GG komme daher nicht mehr in Betracht. Dieser Auffassung liegt indessen ein Kunstbegriff zugrunde, wie er in dieser Form der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr entspricht.

In einem weiteren Urteil des Kammergericht Berlin (KG Berlin, 1 Ss 312/07, Urteil v. 08. Februar 2008) wird diese Definition wieder aufgegriffen, demzufolge die kritischen Darstellungen durch eine Verabsolutierung des sexuellen Lustgewinns unter gleichzeitiger Entmenschlichung der Sexualität geprägt sein müssen, um als Pornografie zu gelten. Dabei besteht in der gängigen Rechtsprechung weitgehend Einigkeit darüber, dass allein die Darstellung des nackten Körpers einschließlich der Genitalien sowie auch sexueller Vorgänge einschließlich des Geschlechtsverkehrs nicht per se als pornografisch zu qualifizieren ist. Andererseits führt das Gericht aus, dass die Gefahr für Kinder und Jugendliche, die sich noch in ihrer sexuellen Entwicklung befinden, in der mit den betreffenden Darstellungen verbundenen Überbewertung von Sexualität und ihrer vollständigen Loslösung von individuellen und emotionalen Begleitumständen liegt. Bei dem Begriff der Pornografie handelt es sich dem Kammergericht und der Literatur zufolge also um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der tatrichterlichen Auslegung unterliegt. Das Gericht führt ferner aus, dass grundsätzlich auch Darstellungen unterhalb der Pornografieschwelle schwer jugendgefährdend sein können und schon die abstrakte Möglichkeit einer gravierenden sozialethischen Desorientierung genügt, um den Tatbestand einer schweren Jugendgefährdung (u.a.i.S.d. heutigen JMStV) zu erfüllen.[9]

In einem aktuelleren Beschluss (BGHSt 53, 283; BGH 1 StR 105/09, Beschluss v. 21. April 2009) führt der BGH aus, dass Kinder unter 14 Jahren nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch das Erleben von exhibitionistischen Handlungen geschützt werden sollen, die vor ihren Augen vorgenommen werden, wobei es nicht auf eine unmittelbare Nähe zwischen Täter und Opfer ankommt (in konkretem Fall bei Darstellung sexueller Handlungen vor laufender Webcam). Selbst Tathandlungen nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB von wesentlich geringerer Intensität (also die Präsentation sexueller Handlungen durch Aufzeichnungen von Bild und Ton) weisen dieselbe Strafandrohung auf.[10]

Rechtslehre

Der Begriff der Pornografie wird von der Rechtslehre differenziert definiert als eine das Obszöne betonende Darstellung geschlechtlicher Vorgänge in Wort und Bild. Nach der Realismus-Konzeption liegt Pornografie schon dann vor, wenn sexuelle Vorgänge in gestellten Szenen ohne Sinnzusammenhang und das Wesen der Sexualität, welche natürlicherweise untrennbar mit Emotionalität verbunden ist, verfälschend dargestellt werden. Nach der Tendenz-Konzeption ist Pornografie gegeben, wenn die Darstellungen vornehmlich auf die Triebbefriedigung des Betrachters abzielen. Nach der Objekt-Konzeption degradiert die Pornografie den Menschen zum auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Befriedigung.[11] Eine juristisch für alle Fälle generelle Definition gibt es nicht und wird von § 184 StGB bewusst der Rechtsprechung überlassen, da die Definition der Pornografie auch von der gesellschaftlichen Werteentwicklung und der individuellen Sexualmoral abhängig ist. Hierbei kann bereits die Darstellung eines oder mehrerer nackter Menschen individuell als Pornografie definiert werden.[12] Bei der Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 1973 wurde der seinerzeitige Begriff "unzüchtig" durch "pornografisch" ersetzt mit dem Ziel, den Begriff unabhängig der individuellen Moralvorstellung zu objektivieren.

Die individuelle Gefährdung des sozialethischen Reifungsprozesses von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden ergibt sich (auch nach Auffassung der BPjM) aus dem Wesen der Pornografie, sich auf die reine sexuelle Triebbefriedigung unter vollständiger Ausblendung von Beziehungsfähigkeit und Verantwortungsgefühlen zu beschränken und Sexualität unter Aussparung des emotional-geistigen Bereiches auf einen rein technischen Vorgang zu reduzieren.[13] Eine weitere Gefahr wird von der Fachwelt in der Abstumpfung von natürlicher Scham und Ekel und dem Verlust der Möglichkeit der Jugendlichen gesehen, ihre Sexualität selber spielerisch zu entdecken. Nach Beurteilung des Jugendschutzbeauftragten Heiko Richter aus dem Jahr 2008 sind jegliche Darstellungen eines erigierten Gliedes bzw. des offenen Blicks auf die Schamlippen der Frau sowie offen sichtbare Eigenmanipulationen am Geschlechtsbereich pornografisch und damit jugendgefährdend.[14] Laut Jakob Pastötter, Präsident der deutschen Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Sexualforschung, kann die Rezeption pornografischer Inhalte gerade in der Phase der jugendlichen Entwicklung sexueller Präferenzen zu einer neuronalen Konditionierung des Gehirns hinsichtlich sexueller Präferenzen führen. Er verweist ferner auf das mangelnde Vermögen insb. junger Menschen, Medialität von der Realität zu unterscheiden.[15] Des Weiteren ist die individuelle Wahrnehmung natürlich auch geschlechterspezifisch unterschiedlich. Bei Mädchen liegt die Schwelle zur Pornografie erheblich niedriger, welche Studien zufolge alles, was nicht als "ästhetisch schön", sondern als "nuttig" gilt, bereits ablehnen und mit Pornografie assoziieren, während Jungen Pornografie eher als "normal" ansehen.[16]

Siehe auch

Literatur

  • Henrike Friedrichs, Thorsten Junge, Uwe Sander: Jugendmedienschutz in Deutschland. Springer-Verlag, 9. Mai 2013. - eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  • Thorsten Junge: Jugendmedienschutz und Medienerziehung im digitalen Zeitalter. Springer-Verlag, 16. August 2013. - eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  • Doris Allhutter: Dispositive digitaler Pornografie: zur Verflechtung von Ethik, Technologie und EU-Internetpolitik Campus, Frankfurt am Main u.a 2009. ISBN 978-3-593-38858-8, (Zugleich Dissertation an der Universität Wien 2007).
  • Johannes Gernert: Generation Porno. Jugend, Sex, Internet. Fackelträger, Köln 2010. ISBN 978-3-7716-4439-0. [17]
  • Katrien Jacobs, Matteo Pasquinelli (eds), C’Lick Me: A Netporn Studies Reader, Institute of Network Cultures, Amsterdam 2007 (online), ISBN 978-90-78146-03-2 (englisch).
  • Katrien Jacobs, Netporn: DIY Web Culture and Sexual Politics, Rowman & Littlefield, 2007, ISBN 978-0-7425-5432-0 (englisch).
  • Jonathan James McCreadie Lillie: Cyberporn, Sexuality, and the Net Apparatus, in: Convergence: The International Journal of Research into New Media Technologies, Vol. 10, No. 1, 43-65 (2004) doi:10.1177/135485650401000104 (englisch)
  • Thomas Schirrmacher: Internetpornografie ... was jeder darüber wissen sollte. Hänssler, Holzgerlingen 2008, ISBN 978-3-7751-4838-2.

Einzelnachweise

  1. Konrad Lischka: Vorbild Filmindustrie: Porno-Anbieter kämpfen gegen Web-Konkurrenz Spiegel Online 11. September 2007
  2. Konrad Lischka: Fehlerhafte Zensur-Methode: Arcor stoppt den Porno-Filter Spiegel Online 17. September 2007
  3. Onlineportal der Tageszeitung „Die Welt“ vom 21. Dezember 2013
  4. Murad Erdemir, Neue Paradigmen der Pornografie? - Ein unbestimmter Rechtsbegriff auf dem Prüfstand, MMR 2003, 628 ff.
  5. Roland Bornemann, Der „Verbreitensbegriff“ bei Pornografie in audiovisuellen Mediendiensten - straferweiternd im Internet und strafverkürzend im Rundfunk?, MMR 2012, 157 ff.
  6. Jugendmedienschutz: Alterskontrollierte geschlossene Benutzergruppen im Internet gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV (PDF; 142 kB) von Martin Döring und Thomas Günter
  7. Ulrike Lembke: Regulierungen des Intimen: Sexualität und Recht im modernen Staat. 1. Auflage. Springer-Verlag, 25. Juli 2016, S. 344. - eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  8. BGHSt 37, 55; 1 StR 477/89, Urteil v. 21. Juni 1990, RN 14
  9. KG Berlin, 1 Ss 312/07, Urteil v. 08. Februar 2008, RN 10
  10. BGH 1 StR 105/09, Beschluss v. 21. April 2009, RN 6 f
  11. Günther Kaiser: Kriminologie: ein Lehrbuch. 3. Auflage. C. F. Müller, Heidelberg 1996, S. 790. - eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  12. Artur-Axel Wandtke, Claudia Ohst: Persönlichkeitsrecht und Medienstrafrecht. 3. Auflage. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, Berlin 10. September 2014, S. 249. - eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  13. Elisabeth Tuider, Mario Müller, Stefan Timmermanns, Petra Bruns-Bachmann, Carola Koppermann: Sozialpädagogik der Vielfalt - Praxismethoden zu Identitäten, Beziehungen, Körper und Prävention für Schule und Jugendarbeit. (PDF, 2,04 MB) Verlag C.H. Beck, , abgerufen am 15. September 2017.
  14. Agon S. Buchholz: Pornografie. Kefk Network, 24. April 2008, abgerufen am 15. September 2017.
  15. Petra Grimm, Stefanie Rhein, Michael Müller: Porno im Web 2.0. Die Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte in der Lebenswelt von Jugendlichen. 3. Auflage. Vistas Verlag, Berlin 10. September 2014 (Schriftenreihe der NLM, Band 25). - eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  16. Petra Grimm: Die Bedeutung der Pornografie in der Lebenswelt von Jugendlichen. (PDF; 1 MB) proJugend, , abgerufen am 15. September 2017.
  17. Florian Zimmer-Amrhein: Nacktes im Kinderzimmer. Buchbesprechung in: Die ZEIT vom 24. Juni 2010