„Verfassungsreferendum in der Türkei 2017“ – Versionsunterschied

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| Zekeriya Yapıcıoğlu
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Die Zeitung [[Hürriyet]] hat im Februar 2017 ein fertiges Interview mit Nobelpreisträger [[Orhan Pamuk]] nicht veröffentlicht, weil er sich darin für ein Nein zum Verfassungsreferendum ausgesprochen hatte.<ref>[http://derstandard.at/2000052615716/Nein-zu-Praesidialsystem-Tuerkische-Zeitung-strich-Orhan-Pamuk-Interview Pamuk in] [[Der Standard]], 14. Februar 2017</ref>
Die Zeitung [[Hürriyet]] hat im Februar 2017 ein fertiges Interview mit Nobelpreisträger [[Orhan Pamuk]] nicht veröffentlicht, weil er sich darin für ein Nein zum Verfassungsreferendum ausgesprochen hatte.<ref>[http://derstandard.at/2000052615716/Nein-zu-Praesidialsystem-Tuerkische-Zeitung-strich-Orhan-Pamuk-Interview Pamuk in] [[Der Standard]], 14. Februar 2017</ref>


Kontroverse Debatten um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker gab es in verschiedenen europäischen Staaten, vor allem in [[Deutschland]]. Im März 2017 erklärte der niederländische Ministerpräsident [[Mark Rutte]] gegenüber der [[Kabinett Yıldırım|türkischen Regierung]], dass diese für Wahlkampfauftritte zur Volksabstimmung über die Verfassung der Türkei in den Niederlanden unerwünscht sei und dass der öffentliche Raum generell kein Ort für den Wahlkampf anderer Länder sei.<ref>[http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/werbung-fuer-verfassungsreform-niederlande-erklaeren-tuerkischen-wahlkampf-fuer-unerwuenscht-14908708.html Werbung für Verfassungsreform: Niederlande erklären türkischen Wahlkampf für unerwünscht], FAZ.net, 4. März 2017</ref>
Kontroverse Debatten um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker gab es in verschiedenen europäischen Staaten, vor allem in Deutschland. Im März 2017 erklärte der niederländische Ministerpräsident [[Mark Rutte]] gegenüber der [[Kabinett Yıldırım|türkischen Regierung]], dass diese für Wahlkampfauftritte zur Volksabstimmung über die Verfassung der Türkei in den Niederlanden unerwünscht sei und dass der öffentliche Raum generell kein Ort für den Wahlkampf anderer Länder sei.<ref>[http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/werbung-fuer-verfassungsreform-niederlande-erklaeren-tuerkischen-wahlkampf-fuer-unerwuenscht-14908708.html Werbung für Verfassungsreform: Niederlande erklären türkischen Wahlkampf für unerwünscht], FAZ.net, 4. März 2017</ref>


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 4. März 2017, 14:41 Uhr

Bei der Volksabstimmung in der Türkei 2017 entscheiden die Wähler über 18 Vorschläge zur Änderung der seit 1982 gültigen Verfassung der Republik Türkei. Volksabstimmungen im Rahmen einer Verfassungsänderung finden laut Art. 2 des Gesetzes Nr. 3376 am ersten Sonntag nach Ablauf von 60 Tagen nach der Verkündung des entsprechenden Gesetzes im Amtsblatt statt. Das Gesetz über die in Rede stehende Verfassungsänderung wurde am 11. Februar 2017 im Amtsblatt veröffentlicht,[1] womit sich als Datum der Volksabstimmung der 16. April 2017 ergibt. Vorgesehen sind unter anderem die Stärkung der Rechte des Staatspräsidenten und die Beschränkung der Rechte des am 23. April 1920 von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk einberufenen Parlaments. Umstritten ist vor allem, dass das parlamentarische Regierungssystem einem Präsidialsystem weichen soll. Zwar wird das Vorbild in den Vereinigten Staaten gesehen, in denen ebenfalls eine Präsidialdemokratie existiert; jedoch existiert dort durch das System der Checks and Balances auch ein besonderes System der Gewaltenteilung.

Die Vorschläge zur Verfassungsänderung wurden von einer nach Art. 175 Abs. 1 S. 3 der Verfassung erforderlichen Mehrheit von drei Fünfteln der Gesamtzahl der Parlamentsmitglieder aus der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) und der rechts-extremistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) angenommen, während zwei Oppositionsparteien, die kemalistische Republikanische Volkspartei (CHP) von Staatsgründer Atatürk und die kurdische Demokratischen Partei der Völker (HDP), alle Vorschläge zur Änderung der Verfassung mehrheitlich ablehnen; 12 Abgeordnete der Kurdenpartei, darunter ihr gesamtes Führungspersonal, waren inhaftiert.

Die regierende AKP überreicht ihre vorgeschlagenen Verfassungsänderungen dem Parlamentssprecher İsmail Kahraman (AKP)

Hintergrund

Seit der Staatsgründung der Türkei herrscht mit der Verfassung von 1921 ein parlamentarisches Regierungssystem vor. Die jetzige Verfassung besteht seit 1982 und wurde mehrmals (etwa 1987, 2007 und zuletzt 2010) geändert. 2007 wurde die Direktwahl des Präsidenten eingeführt, seit der ersten direkten Präsidentschaftswahl 2014 ist Recep Tayyip Erdoğan Staatspräsident.

Nach einer Zeit des Waffenstillstands zwischen dem türkischen Militär und der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begann im Jahre 2015 eine türkische Offensive gegen die PKK, nachdem zwei Polizisten durch die PKK getötet wurden.[2] Seit dem Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs 2016 herrscht in der Türkei der Ausnahmezustand. Es kam zu einer Säuberungs- und Verhaftungswelle durch die türkische Regierung. Regierungskritiker werden heute schnell mit dem Vorwurf konfrontiert, sie unterstützten den Terrorismus der Arbeiterpartei Kurdistans oder den angeblichen Terrorismus von Fethullah Gülen (FETÖ).

Das Parlamentarische Verfassungsgremium bestand aus 15 AKP-Mitgliedern, 5 von der CHP, 3 von der HDP und 2 von der MHP
Haltung der Parteien zum geplanten Referendum
Wahl Partei Vorsitz Ausrichtung
Ja AKP Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung Binali Yıldırım Islamischer Konservatismus
MHP Partei der Nationalistischen Bewegung Devlet Bahçeli rechtsextremistisch
HÜDA PAR[3] Partei der Freien Sache Zekeriya Yapıcıoğlu Islamismus
Yeni Dünya[4] Partei der Neuen Welt Emanullah Gündüz mitte-rechts
Nein CHP Republikanische Volkspartei Kemal Kılıçdaroğlu kemalistisch
HDP Demokratische Partei der Völker Selahattin Demirtaş / Figen Yüksekdağ links-kurdisch
SAADET Glückseligkeitspartei Temel Karamollaoğlu islamistisch
Vatan Vaterlandspartei Doğu Perinçek linksnationalistisch
HAK-PAR Partei für Recht und Freiheiten Refik Karakoç pro-kurdisch
HKP Volksbefreiungspartei Nurullah Ankut kommunistisch
DP Demokratische Partei Gültekin Uysal mitte-rechts
TKP Kommunistische Partei kollektive Führerschaft kommunistisch
DSP Demokratische Linkspartei Önder Aksakal mitte-links
LDP Liberaldemokratische Partei Cem Toker liberal
Millet Partei der Nation Aykut Edibali rechts
Yeşil Sol Grüne Linkspartei Eylem Tuncaelli / Naci Sönmez grün
HEPAR Partei für Recht und Gleichheit Osmancan Tekeşin nationalistisch
ÖDP Partei der Freiheit und Solidarität kollektive Führerschaft links
EMEP Partei der Arbeit Selma Gürkan kommunistisch
ANAP Mutterlandpartei İbrahim Çelebi mitte-rechts
SEP Sozialistische Arbeiterpartei Güneş Gümüş marxistisch
DBP Demokratische Partei der Regionen Emine Ayna kurdisch
e-Parti Partei der Elektronischen Demokratie Emrehan Halıcı Einzweckpartei
Neutral BBP Partei der Großen Einheit Mustafa Destici rechts
BTP Partei der unabhängigen Türkei Haydar Baş nationalistisch

Neuerungen

Durch die Verfassungsänderungen werden das Amt des Ministerpräsidenten und der Ministerrat als eigenständige Organe abgeschafft. Die Wahlen zur Großen Nationalversammlung und zum Präsidenten der Republik sollen alle fünf Jahre am selben Tag erfolgen. Die Zahl der Parlamentssitze wird von 550 auf 600 erhöht und das passive Wahlrecht auf 18 Jahre herabgesetzt. Gleichzeitig werden die Rechte des Parlaments und des Regierungskabinetts beschränkt und auf den Präsidenten übertragen. Der Präsident wird Präsidialverordnungen erlassen können und das Recht haben, das Parlament zu jeder Zeit aufzulösen, wobei in diesem Fall gemeinsame Neuwahlen abzuhalten sind. Er ernennt die Minister ohne Parlamentsanhörung, wählt seine Stellvertreter selbst und entscheidet persönlich über die Wahl der Universitätsrektoren. Seine Stellvertreter oder Minister können nicht per Misstrauensvotum abgesetzt werden. Auch darf der Staatspräsident Mitglied einer Partei sein und dieser vorsitzen. Gesetzesvorhaben des Parlaments wird der Präsident weiterhin mit einem Veto blockieren können, wobei das Veto vom Parlament nicht mehr mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder, sondern nur mit der Mehrheit der Gesamtzahl der Mitglieder überstimmt werden kann.

Bei der Justizreform wird unter anderem der (Hohe) Richter- und Staatsanwälterat, der erst 2010 von 7 auf 22 Personen aufgestockt wurde, wieder auf 13 Mitglieder verkleinert. Dessen Mitglieder werden nun von Präsident und Parlament bestimmt, die dann wiederum für Richterernennungen zuständig sind.

Standpunkte

Gemäß Umfragen steht eine Mehrheit der Wähler hinter den Änderungen, gleichzeitig wissen fast 70 Prozent der Türken nicht, was in der neuen Verfassung steht.

Halil Berktay, Geschichtswissenschaftler an der Sabancı-Universität, unterstützt die Änderungen.

Die Zeitung Hürriyet hat im Februar 2017 ein fertiges Interview mit Nobelpreisträger Orhan Pamuk nicht veröffentlicht, weil er sich darin für ein Nein zum Verfassungsreferendum ausgesprochen hatte.[5]

Kontroverse Debatten um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker gab es in verschiedenen europäischen Staaten, vor allem in Deutschland. Im März 2017 erklärte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte gegenüber der türkischen Regierung, dass diese für Wahlkampfauftritte zur Volksabstimmung über die Verfassung der Türkei in den Niederlanden unerwünscht sei und dass der öffentliche Raum generell kein Ort für den Wahlkampf anderer Länder sei.[6]

Verfassungstexte

Kommentare

Quellen

Einzelnachweise

  1. Gesetz Nr. 6771 vom 21. Januar 2017, Amtsblatt Nr. 29976 vom 11. Februar 2017 (online).
  2. Zwei Polizisten sterben bei PKK-Anschlag. In: stern.de. 23. Juli 2015 (stern.de [abgerufen am 24. Februar 2017]).
  3. HÜDA PAR referandumda 'Evet' diyecek. In: Sabah. (com.tr [abgerufen am 4. März 2017]).
  4. Yeni Dünya Partisi'nden Başkanlık Sistemine destek. In: Hür 24. (hur24.com [abgerufen am 4. März 2017]).
  5. Pamuk in Der Standard, 14. Februar 2017
  6. Werbung für Verfassungsreform: Niederlande erklären türkischen Wahlkampf für unerwünscht, FAZ.net, 4. März 2017