„Wirtschaftsflüchtling“ – Versionsunterschied

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{{überarbeiten|"wirtschaftlich herausgeforderten Ländern" erläutern. Durch die [[Finanzkrise ab 2007]] & [[Staatsverschuldung]] sollten auch die Industrieländer wirtschaftlich herausgefordert sein.}}
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Der Begriff des '''Wirtschaftsflüchtlings''' (auch: ''Wohlstandsflüchtling'') wird in der Regel zur Beschreibung einer Person verwendet, die ihr Wohnsitzland aus primär wirtschaftlicher Not verlässt und die Migration in ein Land mit vermeintlich besseren individuellen wirtschaftlichen Perspektiven anstrebt, ohne dabei ein ggf. vorhandenes Verfahren im Zielland einzuhalten, welches diese Form der Migration gestatten würde (vgl. [[Arbeitsmigration]]). Sofern die Einreise und der Aufenthalt für diese Personengruppe nicht ohnehin im Zielland erlaubt ist, wird in der Regel versucht, den Aufenthalt auf andere, migrationsrechtlich relevante Gründe zu stützen oder ein Leben in der Illegalität geführt.
Der Begriff des '''„Wirtschaftsflüchtlings“''' (auch: ''Wohlstandsflüchtling'') wird im Boulevardjournalismus, von [[Fremdenfeindlichkeit|fremdenfeindlicher]] und [[Rechtspopulismus|rechtspopulistischer]] Seite und zum Teil auch umgangssprachlich in der Regel zur Beschreibung einer Person verwendet, die ihr Wohnsitzland aus primär wirtschaftlicher Not verlässt und die Migration in ein Land mit vermeintlich besseren individuellen wirtschaftlichen Perspektiven anstrebt, ohne dabei ein ggf. vorhandenes Verfahren im Zielland einzuhalten, welches diese Form der Migration gestatten würde (vgl. [[Arbeitsmigration]]). Sofern die Einreise und der Aufenthalt für diese Personengruppe nicht ohnehin im Zielland erlaubt ist, wird in der Regel versucht, den Aufenthalt auf andere, migrationsrechtlich relevante Gründe zu stützen oder ein Leben in der Illegalität geführt.


Wirtschaftsflüchtlinge sind, jedenfalls solange die wirtschaftliche Lage im Herkunftsland nicht zu einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben gesteigert ist, keine [[Flüchtling]]e im Sinne des [[UNHCR]] bzw. im Sinne des Flüchtlingsrechts vieler Länder und haben in der Regel kein Recht auf [[Asyl]] und einen rechtmäßigen Aufenthalt im Zielland. Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ wird daher oft in Abgrenzung zu sogenannten „echten Flüchtlingen“ negativ [[Konnotation|konnotiert]]<ref>{{Literatur|Online=[http://books.google.de/books?id=X4SUcbpILa8C&pg=PA29 online]|Zugriff=2013-05-24|Seiten=29|Autor=Thomas Niehr|Titel=Ausländer und Migranten im Spiegel der Presse|TitelErg=Ein diskurshistorisches Wörterbuch zur Einwanderung seit 1945|Jahr=2000|ISBN=3-531-13278-4|Kapitel=Flüchtlinge und Asylsuchende|Verlag=[[Westdeutscher Verlag]]|Ort=Wiesbaden|Herausgeber=Matthias Jung, Thomas Niehr, Karin Böke}}</ref> für Personen verwendet, die das [[Asylrecht]] dazu [[Asylmissbrauch|missbrauchen]] wollen, sich in einem wirtschaftlich besser gestellten Land niederlassen zu können, ohne in einer den Anspruch auf Asyl juristisch rechtfertigenden Lage zu sein. Dennoch ist „Wirtschaftsflüchtling“ im Gegensatz zu „Scheinasylant“ oder gar „Asylbetrüger“ der allgemeine, für [[Politische Korrektheit|politisch-korrekt]] angesehene, diskriminierungsfreie Begriff für diese Flüchtlingsgruppe. Letztere Begriffe unterstellen insofern den gezielten und gewollten Missbrauch des asylrechtlichen Verfahrens; ein solch vorsätzlicher Missbrauch ist jedoch durch die lediglich erfolglose Asylantragstellung, auch im Falle der wirtschaftlich motivierten Migration, nicht bewiesen.
„Wirtschaftsflüchtlinge“ sind, jedenfalls solange die wirtschaftliche Lage im Herkunftsland nicht zu einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben gesteigert ist, keine [[Flüchtling]]e im Sinne des [[UNHCR]] bzw. im Sinne des Flüchtlingsrechts vieler Länder und haben in der Regel kein Recht auf [[Asyl]] und einen rechtmäßigen Aufenthalt im Zielland. Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ wird daher oft in Abgrenzung zu sogenannten „echten Flüchtlingen“ negativ [[Konnotation|konnotiert]]<ref>{{Literatur|Online=[http://books.google.de/books?id=X4SUcbpILa8C&pg=PA29 online]|Zugriff=2013-05-24|Seiten=29|Autor=Thomas Niehr|Titel=Ausländer und Migranten im Spiegel der Presse|TitelErg=Ein diskurshistorisches Wörterbuch zur Einwanderung seit 1945|Jahr=2000|ISBN=3-531-13278-4|Kapitel=Flüchtlinge und Asylsuchende|Verlag=[[Westdeutscher Verlag]]|Ort=Wiesbaden|Herausgeber=Matthias Jung, Thomas Niehr, Karin Böke}}</ref> für Personen verwendet, die das [[Asylrecht]] dazu [[Asylmissbrauch|missbrauchen]] wollen, sich in einem wirtschaftlich besser gestellten Land niederlassen zu können, ohne in einer den Anspruch auf Asyl juristisch rechtfertigenden Lage zu sein. Dennoch ist „Wirtschaftsflüchtling“ im Gegensatz zu „Scheinasylant“ oder gar „Asylbetrüger“ der allgemeine, für [[Politische Korrektheit|politisch-korrekt]] angesehene, diskriminierungsfreie Begriff für diese Flüchtlingsgruppe. Letztere Begriffe unterstellen insofern den gezielten und gewollten Missbrauch des asylrechtlichen Verfahrens; ein solch vorsätzlicher Missbrauch ist jedoch durch die lediglich erfolglose Asylantragstellung, auch im Falle der wirtschaftlich motivierten Migration, nicht bewiesen.


== Wirtschaftsflucht als internationales Phänomen ==
== Wirtschaftsflucht als internationales Phänomen ==

Version vom 23. April 2015, 12:48 Uhr

Der Begriff des „Wirtschaftsflüchtlings“ (auch: Wohlstandsflüchtling) wird im Boulevardjournalismus, von fremdenfeindlicher und rechtspopulistischer Seite und zum Teil auch umgangssprachlich in der Regel zur Beschreibung einer Person verwendet, die ihr Wohnsitzland aus primär wirtschaftlicher Not verlässt und die Migration in ein Land mit vermeintlich besseren individuellen wirtschaftlichen Perspektiven anstrebt, ohne dabei ein ggf. vorhandenes Verfahren im Zielland einzuhalten, welches diese Form der Migration gestatten würde (vgl. Arbeitsmigration). Sofern die Einreise und der Aufenthalt für diese Personengruppe nicht ohnehin im Zielland erlaubt ist, wird in der Regel versucht, den Aufenthalt auf andere, migrationsrechtlich relevante Gründe zu stützen oder ein Leben in der Illegalität geführt.

„Wirtschaftsflüchtlinge“ sind, jedenfalls solange die wirtschaftliche Lage im Herkunftsland nicht zu einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben gesteigert ist, keine Flüchtlinge im Sinne des UNHCR bzw. im Sinne des Flüchtlingsrechts vieler Länder und haben in der Regel kein Recht auf Asyl und einen rechtmäßigen Aufenthalt im Zielland. Der Begriff „Wirtschaftsflüchtling“ wird daher oft in Abgrenzung zu sogenannten „echten Flüchtlingen“ negativ konnotiert[1] für Personen verwendet, die das Asylrecht dazu missbrauchen wollen, sich in einem wirtschaftlich besser gestellten Land niederlassen zu können, ohne in einer den Anspruch auf Asyl juristisch rechtfertigenden Lage zu sein. Dennoch ist „Wirtschaftsflüchtling“ im Gegensatz zu „Scheinasylant“ oder gar „Asylbetrüger“ der allgemeine, für politisch-korrekt angesehene, diskriminierungsfreie Begriff für diese Flüchtlingsgruppe. Letztere Begriffe unterstellen insofern den gezielten und gewollten Missbrauch des asylrechtlichen Verfahrens; ein solch vorsätzlicher Missbrauch ist jedoch durch die lediglich erfolglose Asylantragstellung, auch im Falle der wirtschaftlich motivierten Migration, nicht bewiesen.

Wirtschaftsflucht als internationales Phänomen

Wanderungsbewegungen von Menschen waren von jeher mit der Aussicht auf bessere Lebensperspektiven, insbesondere bessere wirtschaftliche Perspektiven verbunden. Dies betrifft auch die Auswanderung vieler Deutscher z. B. Ende des 19. Jahrhunderts in die Länder Südamerikas oder nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada, die Vereinigten Staaten von Amerika und Australien. Das Merkmal der Flucht ist insofern zunächst rein subjektiv und auf den Vorstellungen der Migranten beruhend. In einem objektiven Sinne wird jedoch dann nicht von einer Flucht gesprochen, wenn die Aufnahme im Zielland aus denselben Gründen (nämlich wirtschaftlichen Interessen des Ziellandes) gewünscht ist oder diese Migration aus sich heraus bereits legal erfolgen kann.

Neben der Flucht aus wirtschaftlichen Gründen in die großen Industriestaaten erfolgt wirtschaftlich motivierte Migration ohne oder entgegen der Rechtslage des Ziellandes auch zwischen Entwicklungsländern. Auch die (illegale) Migration Deutscher in andere Länder (z. B. zur Ausnutzung höherer Kaufkraft oder ggf. zur Flucht vor Gläubigern, dabei auch vermischt mit anderen Motiven, z. B. Flucht vor Strafverfolgung[2]), kann als Wirtschaftsflucht angesehen werden.

Situation in Deutschland

Das Asylrecht ist die Hauptmöglichkeit für Menschen aus Entwicklungsländern, in europäischen Ländern eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Menschen, die ihr Heimatland ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, ohne dass zumindest eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben besteht (§ 60 Abs. 7 AufenthG), werden aber grundsätzlich nicht als Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt. Um dennoch eine Chance auf den Asylstatus zu haben, täuschen Wirtschaftsflüchtlinge manchmal asylerhebliche Gründe für ihre Flucht vor.

Aus diesem Sachverhalt ergeben sich Konsequenzen für die Beziehung zwischen Asylbewerbern und der Mehrheitsgesellschaft. So werden Flüchtlinge, die aus wirtschaftlichen Gründen wie Armut, Arbeitslosigkeit oder Hunger geflohen sind, aber andere Gründe vortäuschen, oftmals als „Asylbetrüger“, „Scheinasylanten“ etc. bezeichnet und verallgemeinernd in der politischen Debatte verwendet, um Asylbewerber in ihrer Gesamtheit in Misskredit zu bringen.

Die tatsächliche Dimension der Wirtschaftsflucht in die Bundesrepublik Deutschland ist systematisch kaum zu erfassen, schon weil es an einer klaren Abgrenzung des Begriffes und einer entsprechenden Motiv-Forschung fehlt. Insbesondere kann nicht aus der Ablehnung eines Asylantrages unmittelbar auf die Flucht aus wirtschaftlichen Motiven geschlossen werden, da die Migrationsmotive oftmals sehr vielschichtig sind und die Asylbewerber bei der Antragstellung naturgemäß selbst nicht wissen, ob sie die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Verfahren objektiv erfüllen und darüber hinaus auch in der erforderlichen Weise darlegen können. In der politischen Debatte wird jedoch aus einer angeblich geringen Anerkennungsquote (es wird mit Zahlen von 1 bis 2 Prozent argumentiert) auf einen extrem hohen Missbrauch des Asylverfahrens durch angebliche Wirtschaftsflüchtlinge geschlossen. Diese Schlussfolgerung ist jedoch bei Betrachtung der Gesamtzahlen nicht haltbar: Im Jahr 2013 hat das Bundesamt 80.978 Entscheidungen in Asylsachen getroffen. Insgesamt 10.915 Antragstellern (13,5 Prozent) wurde die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention) zuerkannt. Darunter waren 919 Personen (1,1 Prozent), die als Asylberechtigte nach Art. 16a des Grundgesetzes anerkannt wurden, sowie 9.996 Personen (12,4 Prozent), die Flüchtlingsschutz nach § 3 des Asylverfahrensgesetzes i.V.m. § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes erhielten. 31.145 Anträge (38,5 Prozent) wurden abgelehnt. Anderweitig erledigt (z. B. durch Verfahrenseinstellungen wegen Rücknahme des Asylantrages oder Tod des Antragstellers) wurden die Anträge von 29.705 Personen (36,7 Prozent).[3]

Hinsichtlich des Rechtsstatus der Betroffenen nach einem abgelehnten Asylverfahren ergeben sich für Personen, die aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen sind, keinerlei Besonderheiten im Vergleich zu anderen Personen nach einem erfolglosen Asylverfahren. Im Falle der Ablehnung des Antrages ist der Asylbewerber, sofern nicht noch ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen besteht, ausreisepflichtig. Kommt er der Ausreisepflicht nicht freiwillig nach, kann eine Abschiebung erfolgen. Sollte die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für einen längeren Zeitraum nicht möglich sein, kommt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht.

Literatur

Wiktionary: Wirtschaftsflüchtling – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Thomas Niehr: Ausländer und Migranten im Spiegel der Presse. Ein diskurshistorisches Wörterbuch zur Einwanderung seit 1945. Hrsg.: Matthias Jung, Thomas Niehr, Karin Böke. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2000, ISBN 3-531-13278-4, Flüchtlinge und Asylsuchende, S. 29 (online [abgerufen am 24. Mai 2013]).
  2. Carsten Holm: Paradies für Schwerverbrecher. In: Der Spiegel. Nr. 40, 2005 (online1. Oktober 2005).
  3. Bundesministerium des Innern, Pressemitteilung vom 10. Januar 2014