„Luchterhand Literaturverlag“ – Versionsunterschied

Luchterhand Literaturverlag
Gründung	1924[1]
Sitz	München
Verleger	Georg Reuchlein[2]
Verlagsnummer	3-630[3]
Verlagsgruppe	Random House
Gattung	Belletristik
Website	www.luchterhand-verlag.de

Der Luchterhand Literaturverlag ist ein deutscher Verlag für zeitgenössische Literatur mit Sitz in München. Er besteht seit 1924 und wurde 2001 von der Verlagsgruppe Random House übernommen.^[4] Luchterhand gilt als einer der renommiertesten Verlage des Landes, unter anderem erschienen dort Werke von Günter Grass und Christa Wolf.^[5]

Hermann Karl Wilhelm Luchterhand gründete 1924 einen nach ihm benannten Fachverlag für Steuern und Recht in Berlin.^[6]:14–20 Zunächst veröffentlichte er ein Informationsblatt zu Steuerthemen, zu den frühen Publikationen zählten außerdem Formblätter und ein Handbuch für das Lohnbüro.^[7] 1934 ernannte er Eduard Reifferscheid zum Prokuristen und zog sich wenige Jahre später ins Privatleben zurück. Die Gründe für den Ausstieg von Hermann Luchterhand konnten nicht abschließend geklärt werden.^{[8]:248–250} Nach Kriegsende wurde der Sitz des Unternehmens im Zuge des Wiederaufbaus von Berlin nach Neuwied bei Darmstadt verlegt. Hier beteiligte sich unter anderem Alfred Andersch mit seiner Zeitschrift Texte und Zeichen maßgeblich am Aufbau eines zusätzlichen literarischen Programms.^[9] Die ersten belletristischen Veröffentlichungen erschienen 1954.^[6]:59 Der Verlag war damals als GmbH & Co. KG organisiert und trug offiziell den Namen „Hermann Luchterhand Verlag GmbH & Co. KG“.^[10]

1950 trat nach dem Tod von Hermann Luchterhand sein Sohn Heinz Luchterhand als Gesellschafter in den Verlag ein.^[6]:19 Er leitete unter anderem die Niederlassung in Berlin und war bis 1969 Mitglied der Geschäftsleitung.^[8]:250 Ab 1969 fungierte Otto F. Walter neben Eduard Reifferscheid als Verleger für den literarischen Teil, außerdem war er bis 1973 Geschäftsführer des Luchterhand Verlags und anschließend Herausgeber.^[6]:20 Anfang der 1970er Jahre begründete man die Taschenbuchreihe „Sammlung Luchterhand“, in der Werke zu den Themen Literatur, Medientheorie, Politik und Sozialwissenschaft erschienen.^[6]:22 Nachdem sich der Literatur- und Fachverlag in den 1950er und 1960er Jahren parallel entwickelten, wurde 1972 für den Luchterhand Literaturverlag eine Niederlassung in Darmstadt geschaffen. Der Fachverlag bliebt in Neuwied.^[6]:23

Auf Initiative von Günter Grass richtete der Luchterhand Literaturverlag im Jahr 1976 einen Autorenbeirat ein, der die „Mitbestimmung der Autoren“ sicherstellen sollte.^[11] Unter anderem wollte man auf diesem Weg sicherstellen, dass die Autoren bei einem eventuellen Verkauf des Verlags ein Mitspracherecht hatten, denn es war, so Günter Grass, „den Autoren nicht länger zuzumuten, dass die Zufälligkeit der Erbnachfolge bei Verlagen in Privatbesitz ihre literarische Arbeit gefährdet“.^[6] Im Zuge der Übernahme des Luchterhand Literaturverlags durch den niederländischen Konzern Wolters Kluwer im Jahr 1987 war die Geschäftsleitung der Ansicht, der Beirat sei bereits Jahre zuvor aufgelöst worden.^[12] Es kam zu massiven Protesten der Autoren, zum Beispiel auch seitens Günter Grass.^[13] Die anhaltende Kritik führte schließlich dazu, dass der literarische Teil von Luchterhand an Elisabeth Raabe und Regina Vitali vom Arche Verlag weitergereicht wurde. Als Sitz wählte man Zürich, Frankfurt am Main und später Hamburg.^[14] Wolters Kluwer behielt nur den Luchterhand Fachverlag.^[9] Vor der Übernahme arbeiteten rund 200 Personen für Luchterhand, der literarische Teil trug sieben Millionen zum Umsatz von 35 Millionen Deutsche Mark bei.^[15]

In den 1990er Jahren geriet der Luchterhand Literaturverlag in wirtschaftliche Schwierigkeiten.^[16] Schriftsteller wie Günter Grass veröffentlichten keine Werke mehr im Verlag.^[14] Die Schulden betrugen zum damaligen Zeitpunkt vier Millionen Deutsche Mark.^[17] Deshalb verkauften die Eigentümer 1994 die Mehrheit am Luchterhand Literaturverlag an Dietrich von Boetticher.^[18] Anschließend wurde der Sitz nach München verlegt.^[19] Nach der Übernahme publizierte unter anderem Christa Wolf wieder bei Luchterhand.^[20] 2001 erwarb die Verlagsgruppe Random House den Luchterhand Literaturverlag.^[21] Dietrich von Boetticher begründete den Verkauf des Luchterhand Literaturverlags damit, dass der Umsatz von damals zehn Millionen Euro deutlich steigen müsse, um erfolgreich arbeiten zu können. Das wäre aber nur unter dem Dach eines Konzerns möglich. Luchterhand beschäftigte zum Zeitpunkt der Übernahme etwa 14 Mitarbeiter.^[5] Einzelne Kommentatoren beurteilten das Programm zuvor als „erfolglos“.^[22] 2005 beauftragte man Georg Reuchlein als Verleger sowie Regina Kammerer als Verlagsleitung mit der Führung von Luchterhand.^[2][23]

Das literarische Programm von Luchterhand besteht seit dem Jahr 1954.^[6]:59 Der Verlag veröffentlichte diverse Werke zahlreicher bedeutender Autoren: So erschien hier zum Beispiel Die Vorzüge der Windhühner, das erste Buch von Günter Grass, gefolgt 1959 von dem Roman Die Blechtrommel.^[24] Neben Grass waren unter anderem Peter Bichsel, Michail Bulgakow, Max von der Grün, Peter Härtling, Helmut Heissenbüttel, Günter Herburger, Arno Holz, Ernst Jandl, Hermann Kant, Kurt Marti, Pablo Neruda, Anna Seghers, Michael Scharang, Robert Wolfgang Schnell, Claude Simon, Alexander Solschenizyn, Jörg Steiner, Carl Sternheim, Gabriele Wohmann, Christa Wolf, William Butler Yeats und andere im Programm von Luchterhand vertreten.^[6]:22 Einen nennenswerten Anteil am Programm hatten bis in die 1990er Jahre Lizenzausgaben von DDR-Autoren.^[25] 1993 verkaufte man die „Sammlung Luchterhand“ an dtv.^[26] Derzeit sind bei Luchterhand Werke von über 100 Schriftstellern lieferbar, jährlich erscheinen rund zwei Dutzend neue Titel.^[27] Zu den bekannteren Werken der letzten Zeit gehören „Gleis 4“ von Franz Hohler, „Das Ungeheuer“ von Terézia Mora, „Die Erfindung des Lebens“ von Hanns-Josef Ortheil oder „Vor dem Fest“ von Saša Stanišić.^[27]

• 1997: Verlag des Jahres (Buchmarkt)

1994 erhielt ein Rechtsstreit zwischen dem Luchterhand Literaturverlag und Kiepenheuer & Witsch größere Aufmerksamkeit. Gegenstand des Verfahrens war die Novelle „Bozena“ von Peter Härtling, auf die sich der Luchterhand Literaturverlag bereits vor dem Wechsel des Schriftstellers zu Kiepenheuer & Witsch eine Option gesichert hatte.^[28] Das Landgericht Hamburg bestätigte daraufhin eine einstweilige Verfügung, welche die Auslieferung des Titels verhinderte.^[29] Der Autor äußerte sein Unverständnis über die Entscheidung und kritisierte den Verlag, der die „Ware Literatur und Sklaven Autor“ zurückfordern wolle.^[30] Von einer „Verhöhnung des freien Schaffens“ war die Rede.^[31] Andere Beobachter bezeichneten den Rechtsstreit als „neuen Tiefpunkt in der Geschichte des Hauses Luchterhand“.^[32] Schließlich lenkte der Luchterhand Literaturverlag überraschend ein und verzichtete auf seinen Unterlassungsanspruch, sodass „Bozena“ ausgeliefert werden konnte.^[33] Man machte Kiepenheuer & Witsch einen „Vorschlag zur Güte“ für den Erwerb der Rechte, weil man kein Buch verhindern wollte.^[34]

2012 wurde durch Recherchen der Tageszeitung bekannt, dass sich Luchterhand während der Zeit des Nationalsozialismus unrechtmäßig bereichert habe.^[35] Der Verlag beteiligte sich 1939 unter der Leitung von Eduard Reifferscheid und Heinz Luchterhand zu einem außergewöhnlich niedrigen Preis an einer Druckerei und drängte deren Besitzer Otto Heinrich Scholz später aus dem Betrieb.^[36] Dieser war aufgrund der Beziehung zu seiner jüdischen Lebensgefährtin von den Nationalsozialisten verfolgt worden. Das Ehepaar Scholz schloss nach Kriegsende einen Vergleich mit Luchterhand, im Rahmen dessen der Verlag eine Entschädigung zahlte. Beobachter kritisierten aber dennoch, das Thema sei nicht aufgearbeitet worden.^[37] Nach Bekanntwerden der Vorwürfe im August 2012 erklärte der Luchterhand Literaturverlag, der Sachverhalt sei wegen der Eigentümerwechsel im Haus bisher nicht bekannt gewesen.^[38] Man kündigte eine „rückhaltlose Aufklärung“ der Vergangenheit an.^[39] Dafür wurde Siegfried Lokatis verpflichtet, Professor für Buchwissenschaft an der Universität Leipzig.^[40]

• Otto F. Walter: Luchterhand. Die ersten 50 Jahre. 1924–1974. Luchterhand, Neuwied und Darmstadt 1975.

Commons: Luchterhand Literaturverlag – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

• Offizielle Website des Luchterhand Literaturverlags

1. ↑ Wieland Freund: Lektor in Zeiten des Turbokapitalismus. In: Die Welt, 3. November 2001, S. 7.
2. ↑ ^{a b} Andreas Puff-Trojan: Hausinternes Stühlerücken bei Luchterhand. In: Tagesanzeiger, 17. Juli 2004, S. 43.
3. ↑ Adressbuch für den deutschsprachigen Buchhandel. MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels, abgerufen am 12. November 2014.
4. ↑ Random House übernimmt Luchterhand. In: Handelsblatt, 30. Oktober 2001, S. 20.
5. ↑ ^{a b} Hubert Spiegel: Pfeifen im Ohr. Random House erwirbt den Luchterhand Literaturverlag. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. Oktober 2001, S. 47.
6. ↑ ^{a b c d e f g h i} Otto F. Walter: Luchterhand. Die ersten 50 Jahre. Luchterhand, Neuwied und Darmstadt 1975.
7. ↑ Horst Dohm: Hermann Luchterhand Verlag besteht 75 Jahre. Berichte von der 51. Frankfurter Buchmesse. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Oktober 1999, S. 25.
8. ↑ ^{a b} Stephan Füssel (Hrsg.): Die Politisierung des Buchmarkts. 1968 als Branchenereignis. Harrassowitz, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-447-05590-1
9. ↑ ^{a b} Hannes Hintermeier: Luchterhand hat eine neue Verlagsleitung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. Juli 2004, abgerufen am 17. November 2014.
10. ↑ Luchterhand-Verkauf an hollaendische Kluwer ist perfekt. Ein neuer Standort für die Literatur. In: Handelsblatt, 6. August 1987, S. 13.
11. ↑ Günter Grass: Ein gewichtiger Mann. Zum 80. Geburtstag des Verlegers Eduard Reifferscheid. In: Die Zeit, 11. Mai 1979, abgerufen am 17. November 2014.
12. ↑ Verscherbeltes Gesinde. In: Der Spiegel, 10. August 1987.
13. ↑ Delikater Balanceakt. In: Der Spiegel, 21. September 1987.
14. ↑ ^{a b} Matthias Wegner: Luchterhand am Ende? Pannen und Pleiten beim traditionsreichen Literaturverlag. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. Januar 1994, S. 27.
15. ↑ Luchterhand soll an Kluwer-Gruppe gehen. Autoren suchen neuen Verlag. In: Handelsblatt, 3. August 1987, S. 9.
16. ↑ Matthias Wegner: Gefahr im Verzug. Wie der Luchterhand Verlag seine Autoren vertröstet. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18. Februar 1994, S. 37.
17. ↑ Irene Mayer-List: Pferde, Farmen und Verlage'. In: Die Zeit, 8. Dezember 1995, abgerufen am 17. November 2014.
18. ↑ Angela Schader: Luchterhand gerettet? Neue finanzielle Basis. In: Neue Zuercher Zeitung, 5. März 1994.
19. ↑ Luchterhand Verlag an Wirtschaftsanwalt verkauft. In: Süddeutsche Zeitung, 7. März 1994, S. 11.
20. ↑ Luchterhand Literaturverlag: Neue Übernahme. "Volk und Welt" ergänzt Programm. In: Handelsblatt, 21. April 1995, S. 13.
21. ↑ Luchterhand Literaturverlag rückwirkend zum 30.9. von Verlagsgruppe Random House übernommen. In: Buchmarkt, 29. Oktober 2001, abgerufen am 17. November 2014.
22. ↑ One Family. Random House wird den Luchterhand Verlag kaufen. In: Süddeutsche Zeitung, 30. Oktober 2001, S. 18.
23. ↑ Georg Reuchlein und Regina Kammerer übernehmen zum 1. Januar 2005 die Luchterhand-Programmverantwortung von Gerald Trageiser - zusätzlich zu ihren bisherigen Aufgaben. In: Buchmarkt, 15. Juli 2004, abgerufen am 25. November 2014.
24. ↑ In der Krise. Luchterhand-Literaturverlag vor dem Aus? In: Der Tagesspiegel, 8. Januar 1994.
25. ↑ Michael Bitala: Neue Leitung fuer Luchterhand. Verlag kommt nach Muenchen – Hanser-Lektor wird neuer Chef. In: Süddeutsche Zeitung, 7. Juni 1994, S. 16.
26. ↑ Uwe Rada: Erfolg und Krise hausgemacht. In: taz, 2. Oktober 1993, S. 33.
27. ↑ ^{a b} Katalog Luchterhand. Verlagsgruppe Random House, abgerufen am 20. November 2014.
28. ↑ Rechtsstreit um Haertlings "Bozena" geht weiter. In: Der Tagesspiegel, 10. August 1994.
29. ↑ Gericht bestätigt Verfügung über Härtling. In: Stuttgarter Zeitung, 10. August 1994.
30. ↑ Gericht bestätigt: Härtlings "Bozena" darf nicht erscheinen. Peter Härtlings neue Novelle "Bozena" kommt vorerst nicht in die Buchläden. In: Bonner General-Anzeiger, 10. August 1994, S. 14.
31. ↑ Härtling: Verhöhnung des freien Schaffens. In: Stuttgarter Zeitung, 12. August 1994.
32. ↑ Ein Fall des Hauses Luchterhand. In: Stuttgarter Zeitung, 10. August 1994.
33. ↑ Haertling kann erscheinen. In: Süddeutsche Zeitung, 16. August 1994, S. 11.
34. ↑ Verlag lenkt ein im "Bozena"-Streit. In: Der Tagesspiegel, 16. August 1994.
35. ↑ Jetzt aufarbeiten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. August 2012, S. 25.
36. ↑ Hat der Verlag von den Nazis profitiert? In: Bonner General-Anzeiger, 15. August 2012, S. 10.
37. ↑ Philipp Gessler: Das braune Kapitel. Luchterhand Verlag in Nazi-Zeit. In: taz, 11. August 2012, abgerufen am 12. November 2014.
38. ↑ Luchterhand will Vorwürfe zu Nazi-Zeit aufarbeiten. In: Die Welt, 14. August 2012, abgerufen am 12. November 2014.
39. ↑ Luchterhand verspricht Aufklärung Vorwurf: Verlag an NS-Unrecht beteiligt. In: Der Tagesspiegel, 12. August 2012, abgerufen am 12. November 2014.
40. ↑ Luchterhand lässt Vorwürfe der Bereicherung in der Nazi-Zeit von Siegfried Lokatis aufarbeiten. In: Buchmarkt, 24. Oktober 2012, abgerufen am 12. November 2014.