„Masturbation“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K RevertVandalismus entfernt (HG)
Bornwithporn (Diskussion | Beiträge)
Zeile 17: Zeile 17:


== Gesundheitliche Aspekte ==
== Gesundheitliche Aspekte ==
Masturbation ist nicht mit gesundheitlichen Schäden verbunden. Sie wird nur dann als störend oder sogar krankhaft gewertet, wenn sie öffentlich bzw. zwanghaft ausgeübt und zur [[Missbrauch und Abhängigkeit|Sucht]] wird. Vom psychologischen Standpunkt aus ist Suchtverhalten in jedem Lebensbereich mit Risiken und möglichen Gefährdungen der eigenen Person oder anderer verbunden, daher auch im Hinblick auf die Selbstbefriedigung. Für Menschen, die ihre Masturbationsgewohnheiten als Sucht einschätzen und von ihnen loszukommen versuchen, gibt es Selbsthilfegruppen ähnlich den [[Anonyme Alkoholiker|Anonymen Alkoholikern]].
Masturbation ist nicht mit gesundheitlichen Schäden verbunden. Sie gilt als sehr gesund und wird empfohlen. Sie wird nur dann als störend oder sogar krankhaft gewertet, wenn sie öffentlich bzw. zwanghaft ausgeübt und zur [[Missbrauch und Abhängigkeit|Sucht]] wird. Vom psychologischen Standpunkt aus ist Suchtverhalten in jedem Lebensbereich mit Risiken und möglichen Gefährdungen der eigenen Person oder anderer verbunden, daher auch im Hinblick auf die Selbstbefriedigung. Für Menschen, die ihre Masturbationsgewohnheiten als Sucht einschätzen und von ihnen loszukommen versuchen, gibt es Selbsthilfegruppen ähnlich den [[Anonyme Alkoholiker|Anonymen Alkoholikern]].


=== Bei Männern ===
=== Bei Männern ===

Version vom 26. November 2014, 17:38 Uhr

Masturbation (Zeichnung von Gustav Klimt, 1913)

Unter Masturbation wird eine – überwiegend manuelle – Stimulation der Geschlechtsorgane verstanden, die in der Regel zum Orgasmus führt. Dabei können auch verschiedene Hilfsmittel zum Einsatz kommen.

Formen der Masturbation

Im häufigsten Fall handelt es sich bei der Masturbation um eine geschlechtliche Selbstbefriedigung, also eine Form der Autosexualität. Eine Masturbation kann jedoch auch an und durch andere Personen ausgeführt werden. Neben der häufigsten Form der Masturbation durch die Benutzung der Hand als Stimulationswerkzeug gibt es auch verschiedene Sexspielzeuge und Masturbationshilfen, die zur Unterstützung der Masturbation eingesetzt werden können.

Die Masturbation stellt gemeinsam mit dem Geschlechtsverkehr die häufigste Form sexueller Aktivität dar. Auch als Sexpraktik gemeinsam mit dem Partner ist sie beliebt, da bei vielen Menschen durch die Beobachtung des masturbierenden Partners die sexuelle Erregung gesteigert wird. Sie ist oft Teil des Pettings und stellt eine Möglichkeit des „Safer Sex“ dar.

Etymologie

Die Wortherkunft ist nicht sicher geklärt. Am plausibelsten scheint die lateinische Herkunft aus der Vorsilbe „mas-“ („männlich“) mit dem Stammwort „turbare“ („stören, heftig bewegen“); eine stark moralisierende und kirchennahe, aber unetymologische Deutung ergibt sich mit der aus dem Mittellatein schwach belegbaren Ableitung von lateinisch manustupratio (von manus „Hand“ und stuprumUnzucht“). In dieser Form wird der Begriff häufig als „Befleckung, Unzucht mit der Hand“ übersetzt.

Andere Bezeichnungen vor allem für die Masturbation als Selbst-Befriedigung sind:

  • Autoerotik bzw. bei Sigmund Freud Autoerotismus.
  • Onanie (abgeleitet von der biblischen Gestalt Onan) – dieser führte jedoch einen Coitus interruptus aus, um die Zeugung eines ihm unerwünschten Kindes zu vermeiden (1 Mos 38,1−11 EU); danach wurden Menschen, die masturbierten, auch Onanisten genannt.
  • Ipsation (lateinisch von ipse „selbst“).
  • Es gibt zahlreiche vulgärsprachliche Bezeichnungen wie z. B. „wichsen“ oder bei Männern „sich einen runterholen“. Jugendliche haben u. a. durch die „Liberalisierung der Jugendsexualität“ ein breites sexualsprachliches Vokabular und gegenüber der Vulgärsprache weit weniger Vorbehalte als Erwachsene.[1]

Gesundheitliche Aspekte

Masturbation ist nicht mit gesundheitlichen Schäden verbunden. Sie gilt als sehr gesund und wird empfohlen. Sie wird nur dann als störend oder sogar krankhaft gewertet, wenn sie öffentlich bzw. zwanghaft ausgeübt und zur Sucht wird. Vom psychologischen Standpunkt aus ist Suchtverhalten in jedem Lebensbereich mit Risiken und möglichen Gefährdungen der eigenen Person oder anderer verbunden, daher auch im Hinblick auf die Selbstbefriedigung. Für Menschen, die ihre Masturbationsgewohnheiten als Sucht einschätzen und von ihnen loszukommen versuchen, gibt es Selbsthilfegruppen ähnlich den Anonymen Alkoholikern.

Bei Männern

Einige Studien zeigen, dass regelmäßige Ejakulationen gewissen Prostatabeschwerden vorbeugen können.[2][3] Dieser Zusammenhang wird in anderen Studien jedoch nicht bestätigt.[4] Manche Männer leiden nach dem Samenerguss unter Symptomen des Postorgasmic Illness Syndroms.[5] Zu den häufigsten Krankheitserscheinungen gehören grippeähnliche Symptome wie erhöhte Körpertemperatur, Schwitzen und Schüttelfrost sowie unspezifische Symptome wie Konzentrationsschwäche, extreme Müdigkeit, Erschöpfung und Gereiztheit.

Techniken und Statistiken

Der Anteil masturbierender Männer beträgt ca. 94 %, der von Frauen ca. 80 %.[6] Viele entdecken die Masturbation und ihren eigenen Körper bereits in der frühen Pubertät, einige erst später und manche schon als Kleinkind. Männer masturbieren laut einer Studie mit ungefähr zwölf Jahren zum ersten Mal und ab dann etwa zweimal wöchentlich; Frauen oft erst regelmäßig nach der Pubertät.[6]

Masturbiert wird auf ganz unterschiedliche Weise. Mit den Händen und Fingern oder mit Hilfsmitteln werden die eigenen erogenen Zonen des Körpers stimuliert. Dabei können Gleitmittel die Reizung verbessern. Seit der Erfindung des Vibrators gegen Ende des 19. Jahrhunderts, entwickelte sich ein großer Markt an Masturbationshilfmitteln, wie Vibratoren und Dildos, Masturbatoren und Sex-Puppen. Durch optische und akustische Reize, wie das Betrachten erotischer oder pornographischer Fotos oder Filmen können die bei der Selbstbefriedigung empfundenen Lustgefühle gesteigert werden.

Männliche Masturbation

Masturbierender Mann, deutlich erkennbar sind die Muskelkontraktionen während des männlichen Orgasmus sowie der begleitende Samenerguss.

Männer masturbieren üblicherweise durch Stimulation des Penises durch Bewegung der Vorhaut über den Penis und insbesondere die Eichel oder durch Streichen der Hand über das Glied.[7] Wesentlich seltener ist die Selbstbefriedigung durch das reiben des Penises gegen einen weichen Gegenstand. Auch anale und urethrale Selbstbefriedigung sind selten.[8] Gelenkigen Männern ist auch die orale Selbstbefriedigung – Autofellatio genannt – möglich. Der Kinsey-Report nennt einen Anteil von 0,2 bis 0,3 % der männlichen Bevölkerung, der dazu in der Lage ist. Hingegen ist die Zahl der Männer, die dies wenigstens ausprobiert haben, wesentlich höher; auch ist dies ein nicht seltener Bestandteil masturbatorischer Traum-Phantasien. Kinsey vermutete hier einen animalischen Hintergrund, denn bei Primaten ist Autofellatio eine normale Form der sexuellen Betätigung.[8]

Üblicherweise erfolgt bei Männer die Masturbation unter starker Beteiligung der Phantasie.[8]

Weibliche Masturbation

Masturbation bei der Frau mittels eines Vibrators

Die verbreitetste Arte der Masturbation bei Frauen ist die Stimulation von Clitoris und Vulva mit der Hand,[9] wobei die meisten Frauen auf dem Rücken liegen.[9] Häufig wird zur Stimulation der Clitoris auch ein Vibrator verwendet. Nur relativ wenige Frauen führen beim Masturbieren ihre Finger oder Gegenstände wie Dildos in die Vagina ein, die Angaben dazu liegen in verschiedenen Studien bei unter 20 Prozent.[10] Laut Kinsey-Report haben etwa 20% der Frauen schon einmal im Rahmen der Masturbation etwas in ihre Vagina eingefügt, wobei viele davon dies taten weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten das clitoriale Stimulation befriedigender ist oder aber weil das Zusehen ihren Partner erregte.[11] Laut Hite praktizieren etwa 12% der Frauen vaginale Masturbation zumindest manchmal in Kombination mit clitorialer Stimulation und etwa 2% manchmal auch reine vaginale Masturbation.[9] Eine Schwedische Studie aus dem Jahr 2006 fand, dass 69% der schwedischen Frauen sich bevorzugt clitorial befriedigen, 28% bevorzugen eine Kombination aus clitorialer und vaginaler Masturbation bevorzugen und weniger als 3% reine vaginale Masturbation.[12] Weitere weniger verbreitete Formen der Masturbation bei Frauen sind das reiben der Vulva an weiche Gegenstände, das Rhythmische zusammenpressen der Oberschenkel, die Stimulation der Clitoris und Vulva durch Wasser.[9] Anale Stimulation wird von manchen Frauen zusätzlich zur clitorialen oder vaginalen Masturbation ausgeübt. Die orale Selbstbefriedigung – genannt Autocunnilingus – ist bei Frauen mit extrem wenigen Ausnahmen unmöglich.

Während erotische Phantasien bei Männern sehr verbreitet sind haben laut Kinsey nur die Hälfte der Frauen bei der Masturbation regelmäßig sexuelle Phantasien, für mehr als ein drittel der Befragten ist Masturbation sogar rein körperlich.[11] Laut Hite genießen sogar die meisten Frauen die Masturbation meist zwar physisch nicht jedoch psychisch.[9] Die Phantasien der Frauen sind dabei stärker als bei Männern auf die bereits erlebten Arten sexueller Handlungen beschränkt.[11]

In Kinseys Studien gaben 45% der Frauen an üblicherweise mittels Masturbation innerhalb von 3 Minuten einen Orgasmus zu erreichen, weitere 25% erreichen den Orgasmus üblicherweise in 4-5 Minuten, wobei viele der Frauen die den Orgasmus erst noch später erreichten ihn mit Absicht hinauszögerten.[11] Viele Frauen geben an zu masturbieren um die ablenkende sexuelle Erregung möglichst schnell abzubauen.[11]

Einschätzungen

Medizingeschichtlich

Korsett zur Verhinderung der Masturbation, aus einem französischen Buch von ca. 1815
Titelblatt von Versuch von denen Krankheiten, welche aus der Selbstbefleckung entstehen (1760)

Auch im antiken Griechenland mit seiner moralischen Freizügigkeit war Sexualität durchaus kein tabuloses Thema. Dennoch gab es Vertreter des Kynismus, die das Ziel hatten, zum Naturzustand zurückzukehren, „den sie in tierischen und kindlichen Verhaltensweisen gegenüber der Kultur, dem Anerzogenen (Paidéia) sahen.“[13] Einer ihrer Vertreter, Diogenes von Sinope, galt als Meister der Provokation und sagte, als er sich öffentlich auf dem Marktplatz befriedigte: „Könnte man doch auch den Bauch ebenso reiben, um den Hunger loszuwerden“. Viele andere griechische Philosophen standen der Masturbation jedoch kritischer gegenüber als Diogenes.[13]

Ab dem späten Mittelalter wurde sie genauso wie alle anderen Formen der Sexualität, die nicht ausschließlich der Fortpflanzung dienten, von der römisch-katholischen Kirche als Sünde betrachtet und teilweise als widernatürliche Unzucht. In der 1768 eingeführten und bis 1787 gültigen Constitutio Criminalis Theresiana wird es im selben Paragrafen wie die anderen „Unkeuschheiten wider die Natur“ abgehandelt und es war mindestens eine angemessene Leibesstrafe vorgesehen. Über den späteren französischen König Ludwig XIII. (1601–1643) ist dagegen bekannt, dass dessen Leibarzt schrieb, Kindermädchen sollten zur „abendlichen Beruhigung“ Jungen im „Kitzeln des Penis“ unterweisen.

In der Aufklärung erfuhr sie eine Brandmarkung als „soziale Gefahr“ und „unnatürliches Verhalten“ jenseits der rein religiösen Verurteilung.

Im Jahr 1712 erschien in England das vermutlich von dem geschäftstüchtigen Quacksalber und Schriftsteller John Marten geschriebene und anonym veröffentlichte Pamphlet Onania: or, the Heinous Sin of Self-Pollution[14] („Onanie oder die abscheuliche Sünde der Selbstbeschmutzung“), das nach und nach in alle europäischen Sprachen übersetzt wurde und große Verbreitung erfuhr. Darin wurde behauptet, dass exzessive Masturbation vielfältige Krankheiten wie Pocken und Tuberkulose verursachen könne. Bezeichnend ist, dass John Marten gleichzeitig zahlreiche kleinere softpornografische Schriften veröffentlichte und in Onania eine von ihm erfundene „Medizin“ gegen die angeblich aus der Masturbation resultierenden Krankheiten anbot. Selbst die großen Aufklärer der Zeit glaubten dem anonym veröffentlichten Werk. Denis Diderot nahm die fragwürdigen Thesen unter dem Artikeltitel MANSTUPRATION ou MANUSTUPRATION[15] sogar in seine Encyclopédie auf.

Im 18. und 19. Jahrhundert fand in der Folge in ganz Europa geradezu ein „Feldzug gegen die Masturbation“ statt. Es erschienen unzählige wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Veröffentlichungen, die die angeblichen Gefahren der Masturbation anprangerten und Methoden zu ihrer Verhinderung anboten. Als Standardwerk kann die ab 1760 in unzähligen Auflagen verbreitete Schrift L'Onanisme. Dissertation sur les maladies produits par la masturbation.[16] (Die Onanie. Abhandlung über Krankheiten durch Masturbation.) des Lausanner Arztes Simon-Auguste Tissot gelten.

Erst von jener Zeit an wurde die betreffende Bibelstelle über Onan nicht mehr als Coitus interruptus begriffen.

Falsche Vorstellungen kursierten über Jahrhunderte, dass „Selbstbefleckung” die gesunde geschlechtliche Entwicklung eines Knaben behindere und zur Gehirnerweichung und zum Rückenmarksschwund führe. Auch Krebs, Wahnsinn oder Lepra sollten angeblich die Folge der Masturbation sein. Erst nachdem Robert Koch 1882 den Tuberkelbazillus entdeckte, behaupten die Mediziner nicht mehr, dass Masturbieren Tuberkulose hervorrufe.

Neben gesundheitlichen Gefahren wurden auch moralische Argumente gegen die Masturbation vorgebracht: sie sei egoistisch, verleite zur Disziplinlosigkeit, stelle ein „nutzloses Vergnügen“ dar und wurde mitunter als „sexueller Missbrauch“[17] bezeichnet. Die Masturbation fördere die Abkapselung des Masturbators von der Gesellschaft, da er zu seiner sexuellen Befriedigung keinen Partner benötigt.

Sigmund Freud befasste sich eingehend mit der Masturbation als Ursache neurotischer Erkrankungen, insbesondere der Neurasthenie als sogenannter Aktualneurose. Kindliche Masturbation sah er je nach Stand seiner Theorieentwicklung als Ausdruck einer vorhergehenden Verführung des Kindes oder im Rahmen der Theorie der infantilen Sexualität als spontanes, entwicklungsbedingtes Geschehen an. Gelegentlich bezeichnete er die Masturbation als die Ursucht, an deren Stelle später andere, erwachsenentypische Süchte wie das Rauchen etwa träten. Als suchthaftes Verhalten aber spiele sie auch eine ungeheure Rolle im Verständnis der (als Psychoneurose beurteilten) Hysterie.[18] Die Frage der Schädlichkeit der Onanie war um 1912 Gegenstand einer Debatte der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung; Freud wendete sich resümierend gegen eine grundsätzliche Verharmlosung: In der Neurasthenie als direkte Folge, aber auch durch Verminderung der Potenz, Verweichlichung des Charakters durch Fixierung auf phantasierte Befriedigung statt realer Anstrengung und Stagnation der allgemeinen psychosexuellen Entwicklung disponiere die Selbstbefriedigung zur Neurose.[19]

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war der Glaube weit verbreitet, dass Akne durch Masturbation hervorgerufen werde. Die Hypothese konnte sich wohl deshalb so lange halten, weil Jugendliche in der Pubertät fast immer unter Akne leiden und gleichzeitig in der Pubertät auch häufig masturbieren (siehe auch Cum hoc ergo propter hoc). Bis in die 1980er Jahre wurde Masturbation auch in medizinischen Kreisen gelegentlich als unreife, im Erwachsenenalter als pathologische Form der Sexualität betrachtet.[20]

Pädagogisch

Die Pädagogen der Aufklärung griffen im 18. Jahrhundert die medizinischen Argumente auf und verarbeiteten sie methodisch in ihren Lehrgeschichten. Namentlich aus den Reihen der Philanthropen (Villaume, Salzmann u.a.) kamen zahlreiche Monografien, die neben den vermeintlichen körperlichen Schäden auch die seelischen Verwüstungen darstellten, die die „Selbstschändung“ hervorrufe. Die Ursachen sahen die Pädagogen in einer nach ihrer Einschätzung verbreiteten verzärtelnden Erziehung und besonders in mangelhafter Hygiene, in zu weichen Betten, in falscher Ernährung, im Bewegungsmangel und in zu enger und zu warmer Kleidung.

Zu den Fehlern der häuslichen Erziehung kämen die falschen Lehrinhalte in den Schulen. Ein Hauptübel seien die Literatur und die sogenannten „schönen Künste“. Das permanente Schmachten, das ständige Verliebtsein und Sehnen nach dem Glück setze falsche Akzente. Die Literatur des "Sturm und Drang" wurde besonders geächtet. Aber auch die alten Griechen blieben nicht verschont.

Die größte Gefahr freilich sahen die Philanthropen im sozialen Umgang der Kinder. Die Ammen, die die Kleinen in der Frühzeit betreuten, legten oft das Fundament für eine dauerhafte Verführung. Kinderwärterinnen, Gouvernanten, Bedienstete, Knechte, Mägde, Friseure, Schneider und Tanzlehrer setzten die Fehlleitung der Kinder und Jugendlichen systematisch fort. Nicht ungenannt blieben auch die Lehrer im Haus und in der Schule. Als Mittel der Gegenwirkung empfahlen die Philanthropen indirekte und direkte Maßnahmen. Zu den indirekten zählte die allgemeine Korrektur der Erziehung. Dazu gehörten Selbstzucht und Askese als Leitprinzipien, die Mäßigung im Essen, Trinken und Schlafen. Abhärtung und hygienische Maßnahmen, sowie eine allgemeine Erziehung zur Schamhaftigkeit und der Erzeugung von Ekel bei geschlechtlichen Dingen.

Egal nun aber, wie das pädagogische Feld bestellt sei: oberstes Prinzip der Erzieher müsse es sein, den Zögling ständig zu überwachen und zu kontrollieren. „Lasst ihn weder Tag noch Nacht allein; schlaft wenigstens in seinem Zimmer“, hatte Rousseau in seinem Emile empfohlen. Zu den direkten Maßnahmen zählten die sogenannten „wahren Geschichten“ aus dem Leben, in denen die Pädagogen die zahllosen leib-seelischen Gebrechen anschaulich an den Lebensläufen unglücklicher Jungen und Mädchen darstellten, die der Masturbation verfallen waren. Langes Siechtum und Tod waren nicht selten der Ausgang der Horrorberichte, die die Jugendlichen wieder auf den Pfad der Tugend führen sollten.

Blieben diese Mittel ohne Wirkung, so empfahlen die Pädagogen das Anlegen von Fesselbändern, Gürteln und Leibchen. Als drastischste Maßnahme in der Pädagogik muss die Infibulation bezeichnet werden. Darunter verstand man einen Draht, der durch die Vorhaut über die Eichel angelegt wurde. Joachim Heinrich Campe, bedeutender Pädagoge und Verleger der deutschen Aufklärung, propagierte diese Methode nachhaltig und konnte nur bedauern, dass die Infibulation „nur bei der einen Hälfte unserer Jugend“ anwendbar sei.

Zudem hat es Überlegungen gegeben, die weiblichen Geschlechtsorgane operativ zu manipulieren. Die Maßnahmen reichen vom Vernähen der Vagina bis zu Klitorisbeschneidungen. In die Pädagogik wurden solche Empfehlungen jedoch nicht aufgenommen. Konsens bestand unter den Erziehern, dass dem „Erkennen des Masturbanten“ große Bedeutung zukomme. Hierfür entwarfen sie einen systematischen Beobachtungsplan, der Kriterien auflistete, die den Sünder überführen sollten.[21]

Anthropologisch

In Muelos: A Stone Age Superstition about Sexuality rekonstruiert der US-Anthropologe Weston La Barre die Ursachen des weltweiten Aberglaubens, männliche Masturbation führe zur Minderung von Nervensubstanz, und entdeckt sie in einer primitiven Fehleinschätzung des Wesens menschlicher Hirnmasse, die nicht als Substrat für Informationsverarbeitung, sondern Kraftstoff vorgestellt werde.

Philosophisch

Der Philosoph der Aufklärung Immanuel Kant sah Selbstbefriedigung als eine sittliche Verfehlung. Für ihn ist der natürliche Zweck des Sexualtriebs, dem nicht zuwidergehandelt werden dürfe, die Fortpflanzung. In seiner Metaphysik der Sitten legt er dar, dass die „wohllüstige Selbstschändung“ (d. h. die Masturbation) eine Verletzung der Pflicht des Menschen gegen sich selbst sei, weil er seine eigene Persönlichkeit aufgebe, indem er sich selbst als reines Mittel zur Befriedigung seiner Triebe gebrauche.[22] Diese Selbstaufgabe erfordere nicht einmal Mut, sondern nur ein Nachgeben gegenüber dem Trieb, und wird deshalb von Kant als noch schlimmeres moralisches Vergehen bewertet als der Selbstmord.

Religiös

Christentum

Die Einordnung der Masturbation als sündhaft von den verschiedenen Kirchen ist nicht einheitlich. Es gibt aber Bibelstellen, die üblicherweise auf Masturbation angewendet werden. Die genaue Interpretation ist umstritten.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass Gott in der Bibel dem Volk Israel detaillierte Vorschriften bezüglich seines Sexualverhaltens macht (Lev 18,6-23 EU und Lev 20,10-21 EU), dabei jedoch Masturbation nicht ausdrücklich erwähnt. Meist wird die Bibelstelle Gen 38,8-10 LUT als Lehrmeinung gegen Masturbation zitiert. Allerdings bestraft Gott Onan (daher der Begriff Onanie) nicht wegen Masturbation, auch nicht wegen des Coitus interruptus, sondern wegen des Nichtvollzugs des im Judentum vorgeschriebenen Levirats (Heirat der Witwe seines verstorbenen Bruders, um ihr Nachkommen zu gewähren, die sie im Alter versorgen und den Namen des Bruders weiterbestehen lassen).

Andere Bibelstellen befassen sich mit übersteigerten Grundbedürfnissen und kritisieren beispielsweise in Gal 5,19-26 LUT Sucht und suchtähnliche Gewohnheiten. Hier geht es auch um die Frage, inwiefern die betroffene Person noch über ihre eigenen Gefühle herrscht. Außerdem gibt es teilweise die Auffassung, dass Sexualität generell in die Ehe gehöre.

Wenn sie sich aber nicht enthalten können, sollen sie heiraten; denn es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren. (1 Kor 7,9 LUT)

Nach rabbinischer Auslegung lag das heiratsfähige Alter bei 12 (Mädchen) beziehungsweise 13 (Jungen) Jahren, was nach Fritz Rienecker auf die frühere Pubertät in südlichen Ländern zurückzuführen sei.[23] Deshalb geht die Bibel nicht auf vorehelichen Geschlechtsverkehr ein und bezeichnet lediglich Untreue beziehungsweise Ehebruch als Sünde. Weiterhin warnt die Bibel in Mt 5,27-28 LUT vor sexuellen Fantasien mit einem anderen als dem eigenen Ehepartner. Über innereheliche Selbstbefriedigung dagegen trifft die Bibel keine klare Aussage, jedoch sind die Eheleute nach 1 Kor 7,4-5 LUT aufgefordert, sich einander nicht zu entziehen.

Nach Auffassung der römisch-katholischen Kirche stellt Selbstbefriedigung als „absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane, mit dem Ziel, geschlechtliche Lust hervorzurufen“ (KKK Nr. 2352),[24] wie auch jeglicher freiwillige, außereheliche „Gebrauch der Geschlechtskraft“, eine „in sich schwere ordnungswidrige Handlung“ dar.[25] Sie gehört neben Pornographie und homosexuellen Praktiken zu den Sünden, die schwer gegen die Keuschheit verstoßen (KKK 2396).[24] Allerdings werden in der Seelsorge Faktoren wie „affektive Unreife, die Macht eingefleischter Gewohnheiten, Angstzustände und weitere psychische oder gesellschaftliche Faktoren“ berücksichtigt, „welche die moralische Schuld vermindern oder sogar auf ein Mimimum beschränken können.“[24]

Islam

Im Koran findet sich folgendes:

1 Erfolg fürwahr krönt die Gläubigen, […] 5 die ihre Sinnlichkeit im Zaum halten – 6 Es sei denn mit ihren Gattinnen oder denen, die ihre Rechte besitzt, denn dann sind sie nicht zu tadeln; 7 Die aber darüber hinaus Gelüste tragen, die sind die Übertreter (Sure 23, Verse 1 und 5–7)

Zwar ist diese Koranstelle bezüglich Masturbation in ihrer Aussage ähnlich unscharf wie die o. g. Bibelzitate, in der 24. Koransure findet sich aber eine eindeutige Aussage in Vers 33:

33 Und diejenigen, die keine (Gelegenheit) zur Ehe finden, sollen sich keusch halten, bis Allah sie aus Seiner Fülle reich macht. […]

Es gibt darüber hinaus eine Reihe von Hadithen, von denen sich einige auch zur Masturbation ablehnend äußern. Unter anderem wird Fasten zur Vermeidung von Sünde empfohlen.

Judentum

Für das Judentum gelten die Gesetze und Regeln der Thora, der fünf Bücher Mose (Pentateuch), mitsamt ihrer Auslegung durch den Talmud.

Die jüdischen Schriften äußern sich nicht eindeutig zur Masturbation. Es gibt rituelle Unreinheit, die den Menschen von der Begegnung mit Gott (z. B. im Gottesdienst) ausschließt. Samenerguss nach Lev 15,16 LUT gilt im Judentum (wie auch Eiterfluss, krankhafte Blutung oder die weibliche Menstruation) als Verlust von Lebenskeimen bzw. Lebenskraft und verunreinigt so den Körper. Von der Sünde unterscheidet sich diese Unreinheit dadurch, dass Sünde nur durch Opfer beseitigt werden kann, Unreinheit erfordert demgegenüber rituelle Waschungen (Mikwe) und eine Wartezeit (meist bis zum nächsten Abend).[26]

Der Kizzur Schulchan Aruch (ein populäres halachisches Kompendium von 1834, das sich u. a. durch die ausschließliche Behandlung von häufig auftretenden rechtlichen Fragen des täglichen Lebens auszeichnet) sagt:

Es ist verboten, nutzlos Samen zu verschwenden. Dies ist ein Verbrechen, das schwerer ist, als alle anderen Verstöße gegen die Thora. Diejenigen, die masturbieren und so nutzlos Samen verschwenden, übertreten nicht nur ein strenges Gebot, sondern jemand, der das tut, muss auch mit dem Bann belegt werden. Über so jemanden steht geschrieben: ‚Deine Hände sind voll Blut‘ (Jesaja 1,15). Er ist somit einem Mörder gleich. (Kizzur Schulchan Aruch 151, 1)

Daoismus

Im Unterschied zu vielen anderen Religionen sieht der Daoismus in der Masturbation keine „Sünde“, betrachtet aber die zum Samenerguss führende männliche Masturbation kritisch, weil sie durch die Verschwendung des Samens einen Verlust an Qi verursache und zu Schwächung und Krankheit des Körpers führe. Die daoistisch korrekt – also ohne Ejakulation – ausgeführte Masturbation dagegen wird nicht nur toleriert, sondern sogar als für den Körper gesund angesehen.[27] (Siehe auch: Daoistische Sexualpraktiken, Abschnitt zur männlichen Ejakulation)

Masturbation im Tierreich

Bei einer großen Breite von Tierarten wurde Masturbation beobachtet. Auch das Herstellen von Werkzeugen, die der Masturbation dienen, ist bei einigen Arten bekannt.[28]

Siehe auch

Literatur

  • Gustav Bachus: Über Herzerkrankungen bei Masturbanten. 1894.
  • Caroline Erb, Deborah Klingler: Mysterium Masturbation. Wenn sich Frauen selber lieben. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2004, ISBN 3-631-52098-0.
  • Shere Hite: Das sexuelle Erleben der Frau. 5. Auflage. Goldmann, München 1987, ISBN 3-442-11252-4.
  • Arne Hoffmann: Onanieren für Profis. Marterpfahl-Verlag, Nehren 2005, ISBN 3-936708-16-9.
  • Wiebke und Axel H. Kunert: Das Handbuch der Onanie. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2002, ISBN 3-89602-402-7.
  • Thomas Laqueur: Solitary Sex – A Cultural History of Masturbation. Zone Books, New York 2003, ISBN 1-890951-32-3.[29]
  • Ludger Lütkehaus: O Wollust, o Hölle – Die Onanie, Stationen einer Inquisition (= Fischer-Taschenbuch 10661 : Geist und Psyche). Fischer, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-596-10661-3.
  • Gudrun Piller: Private Körper. Spuren des Leibes in Selbstzeugnissen des 18. Jahrhunderts. Böhlau, Köln 2007, ISBN 978-3-412-05806-7, S. 190–197.
Commons: Masturbation – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Masturbation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Ludger Lütgehaus: O Wollust, o Hölle. In: Die Zeit. 15. November 1991 (abgerufen am 29. Januar 2013)
  • Teufelszeug. Interview mit Thomas Laqueur. In: Die Zeit. 18. April 2008 (abgerufen am 29. Januar 2013)

Einzelnachweise

  1. Claus Buddeberg: Sexualberatung – Eine Einführung für Ärzte, Psychotherapeuten und Familienberater. 4. Auflage. Thieme, Stuttgart/ New York 2005, ISBN 3-13-136574-9, S. 114–116, Auszüge online.
  2. G. G. Giles u. a.: Sexual Factors and Prostate Cancer. In: BJU International Band 92 (2003), Nr. 3, S. 211–216, PMID 14678395.
  3. M. D. Leitzmann: Ejaculation Frequency and Subsequent Risk of Prostate Cancer. In: JAMA Band 291 (2004), Nr. 13, S. 1578–1586, PMID 15069045.
  4. S. J. Jacobsen u. a.: Frequency of Sexual Activity and Prostatic Health: Fact or Fairy Tale? In: Urology. Band 61 (2003), Nr. 2, S. 348–353, PMID 12597946.
  5. Marcel D. Waldinger, Marcus M. H. M. Meinardi, Aeilko H. Zwinderman, Dave H. Schweitzer: Postorgasmic Illness Syndrome (POIS) in 45 Dutch Caucasian Males: Clinical Characteristics and Evidence for an Immunogenic Pathogenesis (Part 1). In: The Journal of Sexual Medicine. 2011, Band 8, Nr. 4, S. 1164–1170, .
  6. a b Lifeline: Selbstbefriedigung. aufgerufen am 7. August 2008.
  7. Roger R. Hock: Human Sexuality. 3. Auflage. Pearson, 2012, ISBN 978-0-205-22743-3.
  8. a b c Kinsey u. a.: Sexual Behavior in the Human Male. 1948.
  9. a b c d e Shere Hite: The Hite Report - A National Study of Female Sexuality. Seven Stories Press, 2003.
  10. Erwin J. Haeberle: MASTURBATION Human Sexuality: An Encyclopedia.
  11. a b c d e Kinsey u. a.: Sexual Behavior in the Human Female. 1953.
  12. Kerstin S. Fugl-Meyer, u. a.: On Orgasm, Sexual Techniques, and Erotic Perceptions in 18- to 74-Year-Old Swedish Women. In: The journal of sexual medicine. 3.1 (2006).
  13. a b Christine Pernlochner-Kügler in: Körperscham und Ekel – wesentlich menschliche Gefühle (= Philosophie. Band 51; zugleich Universität Innsbruck, Dissertation, 2003). LIT, Münster 2004, ISBN 3-8258-7492-3, (Google Books) mit einem Zitat von Diogenes in Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen. S. 316 f.
  14. Einsehbar unter: [1] (Pdf, 234 Kb; abgerufen am 29. Januar 2013).
  15. Artikel (frz.) aus der ENCYCLOPÉDIE OU DICTIONNAIRE RAISONNÉ DES SCIENCES, DES ARTS ET DES MÉTIERS.
  16. Einsehbar auf Wikisource (s. Weblinks)
  17. Etwa Leopold Loewenfeld (1847–1924): Über die geistige Arbeitskraft und ihre Hygiene. Bergmann, 1905, S. 35 und einige andere von etwa 1860 bis 1910/1920.
  18. Brief an Fließ vom 22. Dezember 1897; zitiert nach Max Schur: Sigmund Freud. Leben und Sterben. 2. Auflage. Frankfurt am Main 2000, S. 80.
  19. Protokoll der 170. Sitzung der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. (PDF-Datei, 428 kB abgerufen am 1. Februar 2013).
  20. Vgl. etwa Einträge »Masturbation« und »Perversion« In: André Domart, Jacques Bourneuf (Hrsg.): Nouveau Larousse Médical. Librairie Larousse, Paris 1981, ISBN 2-03-501301-1.
  21. Friedrich Koch: Sexualität, Erziehung und Gesellschaft. Von der geschlechtlichen Unterweisung zur emanzipatorischen Sexualpädagogik. Frankfurt 2000, S. 72 ff.
  22. Immanuel Kant: Die Metaphysik der Sitten. 2. Teil, I. § 7
  23. Fritz Rienecker: Lexikon zur Bibel. 19. Gesamtauflage, Brockhaus, Wuppertal 1988, ISBN 3-417-24585-0, Artikel zur Ehe.
  24. a b c Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2352 & 2396. Neuübersetzung aufgrund der Editio Typica Latina. Oldenbourg, München 2005 (online)
  25. Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung Persona humana vom 29. Dezember 1975, Nr. 9
  26. Fritz Rienecker: Lexikon zur Bibel. 19. Gesamtauflage, Brockhaus, Wuppertal 1988, ISBN 3-417-24585-0.
  27. Stephen T. Chang: Das Tao der Sexualität. Genf 1992, ISBN 3-7205-1701-2, S. 87 ff.
  28. Bruce Bagemihl: Biological Exuberance: Animal Homosexuality and Natural Diversity. St. Martin's Press, New York 1999, ISBN 0-312-19239-8.
  29. Lutz Sauerteig: (ausführliche) Rezension In: sehepunkte. 15. November 2004, Band 4, Nr. 11.