„Neurussland“ – Versionsunterschied

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[[File:Beauplan_Poland_XVII_map.jpg|mini|upright=1.7|Das Gebiet vor dem Entstehen Neurusslands, 1648, (Süden oben) mit einem breiten Streifen von „Loca deserta“ („[[Wildes Feld|verlassenen Gegenden]]“). Am linken Kartenrand links [[Asow]]. „Meotis Palus“ ist das Asowsche Meer]]
'''Neurussland''' ({{RuS|Новороссия}}, ''Noworossija'') ist ein historisches Gebiet, das vor allem den Süden der heutigen [[Ukraine]] mit dem historischen [[Bessarabien]], teilweise auch die [[Ostukraine]] sowie Teile [[Südrussland]]s umfasst, die am [[Asowsches Meer|Asowschen]] und am [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] liegen. So benannte man die neubesiedelten Steppengebiete, die das [[Russisches Kaiserreich|Russische Kaiserreich]] von den [[Osmanisches Reich|Osmanen]] und ihrem Vasallenstaat [[Krimkhanat]] im 18. Jahrhundert erobert hatte.
'''Neurussland''' ({{RuS|Новороссия}}, ''Noworossija'') ist ein historisches Gebiet, das ab dem Jahre 1764 mit dem Zurückdrängen der [[Osmanisches Reich|Osmanen]] und ihrem Vasallenstaat, dem [[Krimkhanat]] und mit der Bildung des [[Gouvernement Neurussland]] so genannt wurde. Das in verschiedenen Verwaltungseinheiten wechselnd bezeichnete Gebiet umfasste vor allem den Süden der heutigen [[Ukraine]] mit dem historischen [[Bessarabien]], teilweise auch die [[Ostukraine]] sowie Teile [[Südrussland]]s, welche am [[Asowsches Meer|Asowschen]] und am [[Schwarzes Meer|Schwarzen Meer]] liegen. <ref>С. А. Тархов Изменение административно-территориального деления России за последние 300 лет // газета «География». М.: ИД «Первое сентября», 2001</ref>


== Geschichte ==
== Geschichte ==
Das [[Gouvernement Neurussland]] wurde mit dem Zurückdrängen der Osmanen und Krimtataren im Jahr 1765 etabliert und bestand bis 1802<ref>С. А. Тархов Изменение административно-территориального деления России за последние 300 лет // газета «География». — М.: ИД «Первое сентября», 2001</ref>.

Vor der Eingliederung ins [[Russisches Kaiserreich|Russische Reich]] war das Gebiet Neurusslands lange Zeit unter [[Polen-Litauen]], dem [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] und dem Russischen Reich umkämpft gewesen. Dies und die regelmäßigen Überfälle der [[Tataren]] des [[Krimkhanat]]s und der [[Nogaier-Horde]] hatten zur Folge, dass diese Steppengebiete trotz ihrer fruchtbaren [[Schwarzerde]] nur gering besiedelt waren und den Namen „[[Wildes Feld]]“ trugen. Der nördliche Teil der Provinz wurde ab dem 16. Jahrhundert zum Land der [[Saporoger Kosaken]], flüchtiger [[Ruthenien|ruthenischer]] Bauern aus Polen-Litauen, die dort das Kosaken-[[Hetmanat]] errichteten. Von dort überfielen und verwüsteten sie ihrerseits das Hinterland der osmanisch-tatarischen Küstenstädte. Das Hetmanat legte auf der Suche nach Verbündeten 1654 mit dem [[Vertrag von Perejaslaw]] den Treueeid auf den Zaren ab. Gegen die Kosaken war von den Osmanen das [[Eyâlet Silistra|Eyâlet Silistrien]] eingerichtet worden, das Teile der Gebiete umfasste, die später (wie auch das Krimkhanat) zum Gouvernement Neurussland gehörten.
Vor der Eingliederung ins [[Russisches Kaiserreich|Russische Reich]] war das Gebiet Neurusslands lange Zeit unter [[Polen-Litauen]], dem [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reich]] und dem Russischen Reich umkämpft gewesen. Dies und die regelmäßigen Überfälle der [[Tataren]] des [[Krimkhanat]]s und der [[Nogaier-Horde]] hatten zur Folge, dass diese Steppengebiete trotz ihrer fruchtbaren [[Schwarzerde]] nur gering besiedelt waren und den Namen „[[Wildes Feld]]“ trugen. Der nördliche Teil der Provinz wurde ab dem 16. Jahrhundert zum Land der [[Saporoger Kosaken]], flüchtiger [[Ruthenien|ruthenischer]] Bauern aus Polen-Litauen, die dort das Kosaken-[[Hetmanat]] errichteten. Von dort überfielen und verwüsteten sie ihrerseits das Hinterland der osmanisch-tatarischen Küstenstädte. Das Hetmanat legte auf der Suche nach Verbündeten 1654 mit dem [[Vertrag von Perejaslaw]] den Treueeid auf den Zaren ab. Gegen die Kosaken war von den Osmanen das [[Eyâlet Silistra|Eyâlet Silistrien]] eingerichtet worden, das Teile der Gebiete umfasste, die später (wie auch das Krimkhanat) zum Gouvernement Neurussland gehörten.


[[Datei:Catherine II and Potemkin (modern collage).jpg|mini|left|[[Grigori Potjomkin]] und [[Katharina die Große]]]]
[[Datei:Catherine II and Potemkin (modern collage).jpg|mini|left|[[Grigori Potjomkin]] und [[Katharina die Große]]]]
Eine breitangelegte Kolonisierung und Erschließung Neurusslands erfolgte während und nach dem [[Russisch-Türkischer Krieg (1768–1774)|Russisch-Türkischen Krieg 1768–1774]] unter der Führung des Fürsten [[Grigori Alexandrowitsch Potjomkin|Grigori Potjomkin]], der von der Kaiserin [[Katharina II. (Russland)|Katharina der Großen]] als Feldherr und oberster Verwalter Neurusslands beinahe unbeschränkte Kompetenzen erhielt. Das Land wurde an den russischen Adel verteilt, der Kolonisten aus Zentralrussland mitbrachte. Zudem wurden viele ausländische Kolonisten angeworben, überwiegend Deutsche, Serben und Griechen. Die Anzahl der [[Leibeigene|Leibeigenen]] war geringer als in anderen Gebieten.<ref>Andreas Kappeler; Kleine Geschichte der Ukraine , Seite 108</ref> In kurzer Zeit wurden neue Städte gegründet, darunter [[Odessa]], [[Noworossijsk]], [[Sewastopol]], Jekaterinoslaw (heute: [[Dnipropetrowsk]]), Alexandrowsk (heute: [[Saporischschja]]), Nikolajew (heute: [[Mykolajiw]]), [[Cherson]], [[Mariupol]] und andere.
Eine breitangelegte Kolonisierung und Erschließung Neurusslands erfolgte während und nach dem [[Russisch-Türkischer Krieg (1768–1774)|Russisch-Türkischen Krieg 1768–1774]] unter der Führung des Fürsten [[Grigori Alexandrowitsch Potjomkin|Grigori Potjomkin]], der von der Kaiserin [[Katharina II. (Russland)|Katharina der Großen]] als Feldherr und oberster Verwalter beinahe unbeschränkte Kompetenzen erhielt. Das Land wurde an den russischen Adel verteilt, der Kolonisten aus Zentralrussland mitbrachte. Zudem wurden viele ausländische Kolonisten angeworben, überwiegend Deutsche, Serben und Griechen. Die Anzahl der [[Leibeigene|Leibeigenen]] war geringer als in anderen Gebieten.<ref>Andreas Kappeler; Kleine Geschichte der Ukraine , Seite 108</ref> In kurzer Zeit wurden neue Städte gegründet, darunter [[Odessa]], [[Noworossijsk]], [[Sewastopol]], Jekaterinoslaw (heute: [[Dnipropetrowsk]]), Alexandrowsk (heute: [[Saporischschja]]), Nikolajew (heute: [[Mykolajiw]]), [[Cherson]], [[Mariupol]] und andere.


Die Hauptstadt Neurusslands war kurzzeitig [[Krementschug]], später wurde das 1784 neugegründete [[Jekaterinoslaw]] zum Verwaltungszentrum. Eine besondere Rolle fiel dem Aufbau der Hafenstädte zu, weil Russland auf seinem Drang zu den Meerengen eine leistungsfähige [[Schwarzmeerflotte|Flotte im Schwarzen Meer]] brauchte, um die Osmanen zurückzudrängen. Der Name der Region im Verlauf des 19. Jahrhunderts lautete [[Generalgouvernement Neurussland-Bessarabien]]. Odessa entwickelte sich in dieser Zeit zu einem wichtigen Handelshafen und der nach [[Sankt Petersburg]], [[Moskau]] und [[Warschau]] viertgrößten Stadt des Kaiserreichs. Zum wichtigsten Kriegshafen wurde Sewastopol auf der Krim. Viele der Mitglieder der revolutionären [[Narodnaja Wolja]], welche nach 1870 den [[Zarismus]] stürzen wollten, stammten aus dem multiethnischen Gebiet Neurusslands.<ref>Andreas Kappeler; Kleine Geschichte der Ukraine , Seite 134</ref><ref>[http://www.ksta.de/kultur/analyse-mit--neurussland--zu-alter-groesse,15189520,28309618.html ''Mit „Neurussland“ zu alter Größe''], Kölner Stadt-Anzeiger, 4. September 2014</ref>
Die Hauptstadt Neurusslands war kurzzeitig [[Krementschug]], später wurde das 1784 neugegründete [[Jekaterinoslaw]] zum Verwaltungszentrum. Eine besondere Rolle fiel dem Aufbau der Hafenstädte zu, weil Russland auf seinem Drang zu den Meerengen eine leistungsfähige [[Schwarzmeerflotte|Flotte im Schwarzen Meer]] brauchte, um die Osmanen zurückzudrängen. Das ursprüngliche Gouvernement Neurussland wurde zwischen 1796 und 1802 wiederbelebt, die Gebiete waren zu jener Zeit nicht beständig. Der Name bestand im 1822 gegründeten [[Generalgouvernement Neurussland-Bessarabien]] bis 1874 namentlich fort, dessen erste General-Gouverneure schon ab ab 1805 eingesetzt worden waren. Odessa entwickelte sich in dieser Zeit zu einem wichtigen Handelshafen und der nach [[Sankt Petersburg]], [[Moskau]] und [[Warschau]] viertgrößten Stadt des Kaiserreichs. Zum wichtigsten Kriegshafen wurde Sewastopol auf der Krim. Viele der Mitglieder der revolutionären [[Narodnaja Wolja]], welche nach 1870 den [[Zarismus]] stürzen wollten, stammten aus dem multiethnischen Gebiet Neurusslands.<ref>Andreas Kappeler; Kleine Geschichte der Ukraine , Seite 134</ref><ref>[http://www.ksta.de/kultur/analyse-mit--neurussland--zu-alter-groesse,15189520,28309618.html ''Mit „Neurussland“ zu alter Größe''], Kölner Stadt-Anzeiger, 4. September 2014</ref>


Während der [[Russische Revolution|Russischen Revolution]] existierten im südlichen Gebiet für zwei Monate die proklamierte [[Sowjetrepublik Odessa]] sowie per Dekret Lenins eine ''Sowjetrepublik von Donezk und Kriwoi Rog'', welche weitere Gegenregierungen zur [[Ukrainische Volksrepublik|Ukrainischen Volksrepublik]] bilden sollten. Im östlichen Teil existierte auch eine [[Anarchismus|anarchistisches]] „Freies Territorium“. Bei der schließlich (aufgrund mangelnder Unterstützung in der Bevölkerung) militärischen Erschaffung der [[Ukrainische SSR|Ukrainischen SSR]] durch die [[Bolschewiki]] wurde ihr der Großteil des ehemaligen Neurussland angeschlossen, was die Ukrainer zu mehr Loyalität bewegen sollte. Damit sollte auch die einheitsrussische [[Weiße Bewegung]] geschwächt werden. Im Rahmen der bolschewistischen Nationalitätenpolitik ([[Korenisazija]] und [[Ukrainisierung]]) wurde der Name Neurussland genauso verboten<ref>Дергачёв В. А. Геополитическая трансформация украинского Причерноморья. Научные труды в семи книгах. — 1-е. — Издательский дом профессора Дергачёва. — Т. 7.</ref>, wie auch der Name [[Kleinrussland]] für den Norden der Ukraine. 1954 wurde der Ukraine durch [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Nikita Chruschtschow]] auch die Halbinsel [[Krim]] übergeben, die bis dahin unter der Verwaltung der [[Russische SFSR|Russischen SFSR]] stand.
Mit dem Ende des Zarenreichs 1917 verschwand jede Verwaltungseinheit dieses Namens. Während der [[Russische Revolution|Russischen Revolution]] existierten im südlichen Gebiet für zwei Monate die proklamierte [[Sowjetrepublik Odessa]] sowie per Dekret Lenins eine ''Sowjetrepublik von Donezk und Kriwoi Rog'', welche weitere Gegenregierungen zur [[Ukrainische Volksrepublik|Ukrainischen Volksrepublik]] bilden sollten. Im östlichen Teil existierte auch eine [[Anarchismus|anarchistisches]] „Freies Territorium“. Bei der schließlich (aufgrund mangelnder Unterstützung in der Bevölkerung) militärischen Erschaffung der [[Ukrainische SSR|Ukrainischen SSR]] durch die [[Bolschewiki]] wurde ihr der Großteil des ehemaligen Neurussland angeschlossen, was die Ukrainer zu mehr Loyalität bewegen sollte. Damit sollte auch die einheitsrussische [[Weiße Bewegung]] geschwächt werden. Im Rahmen der bolschewistischen Nationalitätenpolitik ([[Korenisazija]] und [[Ukrainisierung]]) wurde der Name Neurussland genauso verboten<ref>Дергачёв В. А. Геополитическая трансформация украинского Причерноморья. Научные труды в семи книгах. — 1-е. — Издательский дом профессора Дергачёва. — Т. 7.</ref>, wie auch der Name [[Kleinrussland]] für den Norden der Ukraine. 1954 wurde der Ukraine durch [[Nikita Sergejewitsch Chruschtschow|Nikita Chruschtschow]] auch die Halbinsel [[Krim]] übergeben, die bis dahin unter der Verwaltung der [[Russische SFSR|Russischen SFSR]] stand.


Als Folge des politischen Umsturzes im Zuge des [[Euromaidan]]s und der damit verbundenen [[Krise in der Ukraine 2014|Proteste in der Südost-Ukraine]] erfuhr der Begriff in pro-russischen und russischen Kreisen inklusive des [[Präsident Russlands|russischen Präsidenten]] [[Wladimir Wladimirowitsch Putin|Putin]]<ref>[http://www.stern.de/politik/ausland/ukraine-konflikt-was-ist-dieses-neurussland-von-dem-putin-spricht-2135010.html ''Was ist dieses Neurussland, von dem Putin spricht?''], Stern, 3. September 2014</ref> eine erneute Verbreitung. Aktuell tritt unter diesem Namen die [[Neurussland (Separatistenregion)|konföderative Union]] der nicht anerkannten [[Volksrepublik Donezk]] und der [[Volksrepublik Lugansk]] auf. Im weitesten Sinne werden damit alle Gebiete des ukrainischen Südostens gemeint, in denen eher prorussische Stimmungen überwiegen, also auch die [[Oblast Charkiw]], die historisch zur [[Sloboda-Ukraine]] und nicht zu Neurussland gehörte.
Als Folge des politischen Umsturzes im Zuge des [[Euromaidan]]s und der damit verbundenen [[Krise in der Ukraine 2014|Proteste in der Südost-Ukraine]] erfuhr der Begriff in pro-russischen und russischen Kreisen inklusive des [[Präsident Russlands|russischen Präsidenten]] [[Wladimir Wladimirowitsch Putin|Putin]]<ref>[http://www.stern.de/politik/ausland/ukraine-konflikt-was-ist-dieses-neurussland-von-dem-putin-spricht-2135010.html ''Was ist dieses Neurussland, von dem Putin spricht?''], Stern, 3. September 2014</ref> eine erneute Verbreitung. Aktuell tritt unter diesem Namen die [[Neurussland (Separatistenregion)|konföderative Union]] der nicht anerkannten [[Volksrepublik Donezk]] und der [[Volksrepublik Lugansk]] auf. Im weitesten Sinne werden damit alle Gebiete des ukrainischen Südostens gemeint, in denen der Gebrauch der russischen Sprache in der Ukraine überwiegt, also auch die [[Oblast Charkiw]], die historisch zur [[Sloboda-Ukraine]] und nicht zu Neurussland gehörte.


== Einwanderungspolitik ==
== Einwanderungspolitik ==

Version vom 2. Oktober 2014, 19:35 Uhr

Neurussland 1800
Das Gebiet vor dem Entstehen Neurusslands, 1648, (Süden oben) mit einem breiten Streifen von „Loca deserta“ („verlassenen Gegenden“). Am linken Kartenrand links Asow. „Meotis Palus“ ist das Asowsche Meer

Neurussland (russisch Новороссия, Noworossija) ist ein historisches Gebiet, das ab dem Jahre 1764 mit dem Zurückdrängen der Osmanen und ihrem Vasallenstaat, dem Krimkhanat und mit der Bildung des Gouvernement Neurussland so genannt wurde. Das in verschiedenen Verwaltungseinheiten wechselnd bezeichnete Gebiet umfasste vor allem den Süden der heutigen Ukraine mit dem historischen Bessarabien, teilweise auch die Ostukraine sowie Teile Südrusslands, welche am Asowschen und am Schwarzen Meer liegen. [1]

Geschichte

Vor der Eingliederung ins Russische Reich war das Gebiet Neurusslands lange Zeit unter Polen-Litauen, dem Osmanischen Reich und dem Russischen Reich umkämpft gewesen. Dies und die regelmäßigen Überfälle der Tataren des Krimkhanats und der Nogaier-Horde hatten zur Folge, dass diese Steppengebiete trotz ihrer fruchtbaren Schwarzerde nur gering besiedelt waren und den Namen „Wildes Feld“ trugen. Der nördliche Teil der Provinz wurde ab dem 16. Jahrhundert zum Land der Saporoger Kosaken, flüchtiger ruthenischer Bauern aus Polen-Litauen, die dort das Kosaken-Hetmanat errichteten. Von dort überfielen und verwüsteten sie ihrerseits das Hinterland der osmanisch-tatarischen Küstenstädte. Das Hetmanat legte auf der Suche nach Verbündeten 1654 mit dem Vertrag von Perejaslaw den Treueeid auf den Zaren ab. Gegen die Kosaken war von den Osmanen das Eyâlet Silistrien eingerichtet worden, das Teile der Gebiete umfasste, die später (wie auch das Krimkhanat) zum Gouvernement Neurussland gehörten.

Grigori Potjomkin und Katharina die Große

Eine breitangelegte Kolonisierung und Erschließung Neurusslands erfolgte während und nach dem Russisch-Türkischen Krieg 1768–1774 unter der Führung des Fürsten Grigori Potjomkin, der von der Kaiserin Katharina der Großen als Feldherr und oberster Verwalter beinahe unbeschränkte Kompetenzen erhielt. Das Land wurde an den russischen Adel verteilt, der Kolonisten aus Zentralrussland mitbrachte. Zudem wurden viele ausländische Kolonisten angeworben, überwiegend Deutsche, Serben und Griechen. Die Anzahl der Leibeigenen war geringer als in anderen Gebieten.[2] In kurzer Zeit wurden neue Städte gegründet, darunter Odessa, Noworossijsk, Sewastopol, Jekaterinoslaw (heute: Dnipropetrowsk), Alexandrowsk (heute: Saporischschja), Nikolajew (heute: Mykolajiw), Cherson, Mariupol und andere.

Die Hauptstadt Neurusslands war kurzzeitig Krementschug, später wurde das 1784 neugegründete Jekaterinoslaw zum Verwaltungszentrum. Eine besondere Rolle fiel dem Aufbau der Hafenstädte zu, weil Russland auf seinem Drang zu den Meerengen eine leistungsfähige Flotte im Schwarzen Meer brauchte, um die Osmanen zurückzudrängen. Das ursprüngliche Gouvernement Neurussland wurde zwischen 1796 und 1802 wiederbelebt, die Gebiete waren zu jener Zeit nicht beständig. Der Name bestand im 1822 gegründeten Generalgouvernement Neurussland-Bessarabien bis 1874 namentlich fort, dessen erste General-Gouverneure schon ab ab 1805 eingesetzt worden waren. Odessa entwickelte sich in dieser Zeit zu einem wichtigen Handelshafen und der nach Sankt Petersburg, Moskau und Warschau viertgrößten Stadt des Kaiserreichs. Zum wichtigsten Kriegshafen wurde Sewastopol auf der Krim. Viele der Mitglieder der revolutionären Narodnaja Wolja, welche nach 1870 den Zarismus stürzen wollten, stammten aus dem multiethnischen Gebiet Neurusslands.[3][4]

Mit dem Ende des Zarenreichs 1917 verschwand jede Verwaltungseinheit dieses Namens. Während der Russischen Revolution existierten im südlichen Gebiet für zwei Monate die proklamierte Sowjetrepublik Odessa sowie per Dekret Lenins eine Sowjetrepublik von Donezk und Kriwoi Rog, welche weitere Gegenregierungen zur Ukrainischen Volksrepublik bilden sollten. Im östlichen Teil existierte auch eine anarchistisches „Freies Territorium“. Bei der schließlich (aufgrund mangelnder Unterstützung in der Bevölkerung) militärischen Erschaffung der Ukrainischen SSR durch die Bolschewiki wurde ihr der Großteil des ehemaligen Neurussland angeschlossen, was die Ukrainer zu mehr Loyalität bewegen sollte. Damit sollte auch die einheitsrussische Weiße Bewegung geschwächt werden. Im Rahmen der bolschewistischen Nationalitätenpolitik (Korenisazija und Ukrainisierung) wurde der Name Neurussland genauso verboten[5], wie auch der Name Kleinrussland für den Norden der Ukraine. 1954 wurde der Ukraine durch Nikita Chruschtschow auch die Halbinsel Krim übergeben, die bis dahin unter der Verwaltung der Russischen SFSR stand.

Als Folge des politischen Umsturzes im Zuge des Euromaidans und der damit verbundenen Proteste in der Südost-Ukraine erfuhr der Begriff in pro-russischen und russischen Kreisen inklusive des russischen Präsidenten Putin[6] eine erneute Verbreitung. Aktuell tritt unter diesem Namen die konföderative Union der nicht anerkannten Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Lugansk auf. Im weitesten Sinne werden damit alle Gebiete des ukrainischen Südostens gemeint, in denen der Gebrauch der russischen Sprache in der Ukraine überwiegt, also auch die Oblast Charkiw, die historisch zur Sloboda-Ukraine und nicht zu Neurussland gehörte.

Einwanderungspolitik

Die Vormundschaftskanzlei für ausländische Ansiedler in Sankt Petersburg war bis ins Jahr 1766 für die Verwaltung der nichtrussischen Ansiedler zuständig. Danach entstand das Saratower Fürsorgekontor für ausländische Ansiedler in Saratow. Dieser Ansatz bewährte sich und so entstand 1799 das Neurussland-Fürsorgekontor für ausländische Ansiedler und 1803 ein Kontor unter der Leitung des Herzogs von Richelieu für die Siedler im Gebiet von Odessa. 1804 übernahm er zusätzlich noch die Leitung des Neurussland-Fürsorgekontors. Im Jahr 1818 beaufsichtigte das Neurussland-Fürsorgekontor 84 Kolonien mit 17.000 Bewohnern und das Kontor in Odessa 44 Kolonien mit 15.500 Bewohnern.

1818 wurde die Verwaltung der Siedler reorganisiert und das Fürsorgekomitee für ausländische Ansiedler in Südrussland in Cherson gegründet, welches drei Niederlassungen in den Gouvernements Jekaterinoslaw (heute: Dnipropetrowsk), Cherson (mit Odessa) und Bessarabien hatte, welche jeweils die wirtschaftlichen und rechtlichen Probleme in ihrem Gebiet regelten. Das Komitee bestand bis 1871 bis zur Abschaffung der Privilegien für die Kolonisten. Siedler wurden unter anderem auch im deutschsprachigen Raum angeworben, daraus entstanden die in verstreuten Ortschaften lebenden Schwarzmeerdeutschen. Viele Siedler in die Steppe Neurusslands westlich des Dnepr und südlich von Krementschug waren polnische Juden. Sie kamen vor allem von 1839 bis 1882 aus dem Gebiet des heutigen Weißrussland östlich von Mogilew am Dnepr, das durch die erste Teilung von Polen-Litauen im Jahre 1772 russisch geworden war.[7]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. С. А. Тархов Изменение административно-территориального деления России за последние 300 лет // газета «География». — М.: ИД «Первое сентября», 2001
  2. Andreas Kappeler; Kleine Geschichte der Ukraine , Seite 108
  3. Andreas Kappeler; Kleine Geschichte der Ukraine , Seite 134
  4. Mit „Neurussland“ zu alter Größe, Kölner Stadt-Anzeiger, 4. September 2014
  5. Дергачёв В. А. Геополитическая трансформация украинского Причерноморья. Научные труды в семи книгах. — 1-е. — Издательский дом профессора Дергачёва. — Т. 7.
  6. Was ist dieses Neurussland, von dem Putin spricht?, Stern, 3. September 2014
  7. Elk, Julius: Die Jüdischen Kolonien in Russland, Georg Olms Verlag, 1970