„Kirchensteuer (Deutschland)“ – Versionsunterschied

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'''Kirchensteuer''' ist der Sammelbegriff für alle [[Steuer]]n, die in [[Bundesrepublik Deutschland|Deutschland]] vom Staat im Auftrag der [[Kirche]]n von deren Mitgliedern erhoben und an die Kirchen weitergeleitet werden.
'''Kirchensteuer''' ist der Sammelbegriff für alle [[Steuer]]n, die in der [[Bundesrepublik Deutschland|Deutschland]] vom Staat, genauer von den Bundesländern im Auftrag der [[Kirche]]n von deren Mitgliedern erhoben werden. Sie stellen einen wichtigen Teil der [[Kirchenfinanzierung]] in Deutschland dar.


Nach Artikel 140 des [[Grundgesetz]]es in Verbindung mit Artikel 137 der [[Weimarer Verfassung]] sind diejenigen [[Religionsgemeinschaft|Religions-]] und [[Weltanschauungsgemeinschaft]]en, die eine [[Körperschaft des öffentlichen Rechts|Körperschaft des öffentlichen Rechts]] sind, berechtigt, Steuern zu erheben.
Nach Artikel 140 des [[Grundgesetz]]es in Verbindung mit Artikel 137 der [[Weimarer Verfassung]] sind diejenigen [[Religionsgemeinschaft|Religions-]] und [[Weltanschauungsgemeinschaft]]en, die eine [[Körperschaft des öffentlichen Rechts|Körperschaft des öffentlichen Rechts]] sind, berechtigt, Steuern zu erheben.
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In einigen Bundesländern wird eine Mindestbetrags-Kirchensteuer eingezogen.
In einigen Bundesländern wird eine Mindestbetrags-Kirchensteuer eingezogen.


Die Höhe der Kirchensteuer wird von den Kirchenleitungen festgesetzt. Rechtskraft erhalten die kirchlichen Festsetzungen durch die Zustimmung der jeweiligen Länderparlamente zu den Kirchensteuergesetzen.
Die Höhe der Kirchensteuer wird von den Kirchenleitungen festgesetzt. Rechtskraft erhalten die kirchlichen Festsetzungen durch die Zustimmung der jeweiligen Länderparlamente zu ihren Kirchensteuergesetzen.
Der staatliche Kirchensteuereinzug ist eine deutsche Besonderheit; zur Erhebung in anderen Staaten siehe unten.
Der staatliche Kirchensteuereinzug ist eine deutsche Besonderheit; er ist nicht durch Grundgesetz sondern nur per Ländergesetz geregelt.
Die kirchliche Situation anderer Länder siehe unter [[Kirchenfinanzierung in anderen Staaten]]


Im Folgenden ist nur von der Kirchensteuer die Rede, die an die Lohn- und Einkommensteuer anknüpft (Annexsteuer).
Häufig stellt die Kirchensteuer, vor allem bei Einführung zusätzlicher staatlicher Belastungen (so waren die Austrittszahlen 1974 und 1991/92 besonders hoch), den letzten Anlass zum [[Kirchenaustritt]] dar.


== Finanzierung der Kirchen ==
=== Exkurs: Auf dem Weg zur Kirchensteuer ===


Von einer Kirchensteuer im heutigen Verständnis kann ansatzweise erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts gesprochen werden.
=== Biblische Quellen ===
Durch den [[Reichsdeputationshauptschluss]] von 1803 wurde den weltlichen Fürsten des Reiches eine Entschädigung für die im Frieden mit Frankreich (Luneville 1801) besiegelte Abtretung ihrer linksrheinischen Gebiete (an Frankreich) zugesichert. Im Zug dieser Entschädigung wurden fast alle rechtsrheinischen reichsunmittelbaren geistlichen Gebiete auf die zu entschädigenden Territorialherren aufgeteilt (Ausnahme u.a. das Bistum Regensburg). Ferner wurde diesen zugestanden, auch die Güter der in ihren Ländern gelegenen fundierten Stifte, Abteien und Klöster einzuziehen. Davon machten alle außer den Habsburgern Gebrauch.
Das gesamte Vermögen in der Hand der Kirchen, geistlicher und religiöser Institutionen, das die öffentliche Funktion der Kirche betraf, wurde von der öffentlichen Gewalt beansprucht. Das für die Seelsorge, Caritas und unter Umständen noch Unterricht vorhandene Vermögen wurde nicht nur von der Säkularisation ausgenommen, sondern auch ausdrücklich vor jeder Zweckentfremdung geschützt.
Nach 1803 gab es also nur noch das der Seelsorge dienende "eigentümliche Kirchengut". Es befand sich fast ausschließlich bei den einzelnen Gemeinden und umfasste drei Arten von Vermögensträgern: zunächst die Pfründe. Darunter versteht man die Vermögensmasse, aus deren Ertrag die Versorgung des jeweiligen Stelleninhabers bestritten wird. Dann die Kirchenstiftung: jenes Erwerbsvermögen, mit dem sowohl die Unterhaltungskosten für die der Seelsorge dienenden Gebäude ist als auch alle Auslagen für den Gottesdienst zu bestreiten sind. Schließlich noch Stiftungen für Arme, Kranke und u. U. für Schulen, soweit Stiftungen solcher Zielsetzung in einzelnen Gemeinden vorhanden waren.
In vielen konkreten Fällen blieb auch dem säkularisierenden Staat weiterhin die Sorge für den Unterhalt von Kirche und Pfarre. Mit der damals allen staatlichen Behörden eigenen umsichtigen Sparsamkeit begannen diese nach 1803, die kirchlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Für einige Zeit kamen sie auch leidlich damit zurecht. Doch die finanziellen Aufgaben der Kirche wuchsen: Die Bevölkerungszunahme, die beginnende Industrialisierung und das Entstehen großer Städte stehen dahinter. Außerdem setzte langsam eine Binnenwanderung ein. In den wichtigsten industriellen Ballungsräumen wurde durch Zuwanderung die bisherige konfessionelle Geschlossenheit aufgebrochen. Es entstanden Diasporagemeinden. Die politischen Gemeinden konnten zur Finanzierung dieser Aufgaben nicht mehr angehalten werden. Denn zu der gleichen Zeit vollzog sich die langsame Trennung von politischer und kirchlicher Gemeinde.
Es kamen weitere Beeinträchtigungen der Kirchen hinzu: Im Gefolge der revolutionären Bewegungen von 1848 fielen viele am Grundbesitz haftenden dinglichen und persönlichen Leistungen, also Zehnt und andere Abgaben in Geld und Naturalien sowie persönliche Handdienste weg. Den kirchlichen Vermögensträgern wurde für diese Ertragsminderung des Vermögens keine Entschädigung geleistet.
Angesichts dieser und anderer Einnahmeminderungen wurde den Kirchen das Besteuerungsrecht anfangs aufgezwungen, um sich staatlicherseits zu entlasten. Vgl. Erwin Gatz


So beginnt [[1827]]in [[Lippe-Detmold]] die Einführung der Kirchensteuer, nachdem sie [[1808]] in Preussen noch gescheitert war. Es folgen [[1831]] [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]], [[1835]] die preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen durch die rheinisch-westfälische Kirchenordnung, [[1838]] [[Freistaat Sachsen|Sachsen]], [[1875]] [[Hessen]], [[1888]] [[Baden (Land)|Baden]], [[1892]] [[Bayern]] und [[1905]]/[[1906|06]] [[Preußen]].
==== Religiöse Steuern im Judentum ====
In der [[Bibel]] werden unterschiedliche Abgaben in Form von Geld oder Naturalien angesprochen:
* Geldabgaben
** für die Stiftshütte: 2.Mose [http://www.bibel-online.net/buch/02.2-mose/25.html#25,1 25,1-9]; [http://www.bibel-online.net/buch/02.2-mose/35.html#35,4 35,4-19]
** für den Tempelbau: [http://www.bibel-online.net/buch/13.1-chronik/29.html 1.Chronik 29]; [http://www.bibel-online.net/buch/15.esra/2.html#2,68 Esra 2,68f]; [http://www.bibel-online.net/buch/15.esra/7.html#7,16 7,16]; [http://www.bibel-online.net/buch/16.nehemia/7.html#7,70 Nehemia 7,70f]
** für den Tempelunterhalt: [http://www.bibel-online.net/buch/12.2-koenige/12.html#12,5 2.Könige 12,5f]; [http://www.bibel-online.net/buch/14.2-chronik/24.html#24,5 2.Chronik 24,5f]
** für den Tempelopferdienst: [http://www.bibel-online.net/buch/16.nehemia/10.html#10,33 Nehemia 10,33f]; [http://www.bibel-online.net/buch/40.matthaeus/17.html#17,24 Matthäus 17,24]
* Naturalabgaben
** Erstgeburt: [http://www.bibel-online.net/buch/02.2-mose/13.html#13,11 2.Mose 13,11-16]; [http://www.bibel-online.net/buch/04.4-mose/3.html#3,11 4.Mose 3,44-51]
** Erstlinge: [http://www.bibel-online.net/buch/02.2-mose/23.html#23,19 2.Mose 23,19]; [http://www.bibel-online.net/buch/05.5-mose/26.html#26,1 5.Mose 26,1-11]
** Zehnte: [http://www.bibel-online.net/buch/03.3-mose/27.html#27,30 3.Mose 27,30-32]; [http://www.bibel-online.net/buch/05.5-mose/14.html#14,22 5.Mose 14,22-29]; aber auch schon [http://www.bibel-online.net/buch/01.1-mose/14.html#14,20 1.Mose 14,20]; [http://www.bibel-online.net/buch/01.1-mose/28.html#28,22 28,22]; indirekt in [http://www.bibel-online.net/buch/16.nehemia/12.html#12,44 Nehemia 12,44]


Das staatliche Hoheitsrecht wurde zunächst nicht allen Kirchengemeinden gegeben und sollte auch kein Recht auf Dauer sein. Die Einrichtung der Kirchensteuer erfolgte also auf Initiative des Staates und war von ihrem Ursprung her nur als zusätzliche Hilfsquelle für besondere Aufgaben einer einzelnen Gemeinde gedacht.
==== Christentum ====
[[Lukas (Evangelist)|Lukas]] beschreibt die Kirche in ihren Anfängen als eine Gemeinschaft, die die Gütergemeinschaft pflegt. So sollen nach [[Apostelgeschichte]] [http://www.bibel-online.net/buch/44.apostel/2.html#2,44 2,44f];[http://www.bibel-online.net/buch/44.apostel/4.html#4,32 4,32] in der Urgemeinde alle Gläubigen alles gemeinsam besessen haben. Die Habe wurde demnach eingesetzt „je nachdem einer bedürftig war“. Für diese zuweilen als „urchristlicher Kommunismus„“ bezeichnete [[Urchristliche Gütergemeinschaft|Gütergemeinschaft]] sind verschiedene Gründe denkbar:
* Durch ihre Konversion zum Christentum fielen die Gemeindeglieder aus dem jüdischen Hilfesystem heraus und wurden aus dem familiären Rückhalt ausgeschlossen.
* Jesus lebte mit seinen Jüngern ein entsprechendes Vorbild.
* Besitz wurde als Gefahrenquelle für das endzeitliche Heil gesehen (vgl. [http://www.bibel-online.net/buch/40.matthaeus/19.html#19,24 Matthäus 19,24]).
* Es gab eine lebendige Erwartung der Wiederkunft Christi, durch die alles Materielle wertlos wurde.


Der Staat wachte streng über dieses von ihm geliehene Hoheitsrecht. Steuern durften grundsätzlich nur für Bedürfnisse der eigenen Gemeinde erhoben werden. Waren diese Bedürfnisse hoch, dann konnte vor der staatlichen Behörde ein entsprechend hoher Hebesatz beantragt werden. So kam es dazu, dass in der einen Gemeinde überhaupt keine Kirchensteuer erhoben wurde, in einer zweiten dagegen eine Steuer mit einem Hebesatz von 4 Prozent und in einer dritten eine mit einem Hebesatz von 22 Prozent. Reichere Gemeinden durften ihren ärmeren Schwestergemeinden nicht ausgleichend zur Hilfe kommen. Allerdings sah der staatliche Gesetzgeber den Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu einem Kirchensteuerverband vor. In Berlin schlossen sich z.B. nach 1895 alle protestantischen Gemeinden zu einem Ortskirchensteuerverband zusammen. Damit gab die Einzelgemeinde das ihr vom Staat verliehene Hoheitsrecht an den Ortsverband ab. Doch bei weitem nicht alle Städte akzeptierten derartige Zusammenlegungen. Viele fürchteten um ihre finanzielle Autonomie. Die staatliche Kirchensteuergesetzgebung war demnach ein fast vollständig auf die einzelne Ortsgemeinde zugeschnittenes Gesetz.
Vermutlich hat es keine volle Gütergemeinschaft gegeben, wohl aber eine ausgeprägte Solidarität untereinander. Dafür sprechen etwa folgende neutestamentliche Belege:
Mit dem Ziel, zu einer Selbstfinanzierung der Kirchen und dementsprechend zu größeren Entflechtung von Staat und Kirche zu kommen, wurden landesweit Kirchensteuern z.B. 1875 in Preußen eingeführt, 1887 in Württemberg und (erst) 1912 im Königreich Bayern eingeführt.
* [http://www.bibel-online.net/buch/44.apostel/4.html#4,32 Apostelgeschichte 4,32-37]: Besitz wird verkauft, wenn Hilfe Not tut
* [http://www.bibel-online.net/buch/44.apostel/5.html#5,1 Apostelgeschichte 5,1-6]: Hananias und Saphira verkaufen ein Gut, verschweigen aber den Erlös
* [http://www.bibel-online.net/buch/47.2-korinther/8.html#8,12 2.Korinther 8,12-16]: Materieller Ausgleich bei Notlagen
* [http://www.bibel-online.net/buch/44.apostel/11.html#11,30 Apostelgeschichte 11,29f]: Antiochia hilft der christlichen Gemeinde zu Jerusalem mit einer Kollekte
* [http://www.bibel-online.net/buch/45.roemer/15.html#15,26 Römer 15,26]: Makedonien und Achaia helfen der Jerusalemer Gemeinde
* [http://www.bibel-online.net/buch/46.1-korinther/16.html#16,1 1.Korinter 16,1]: Kollekte Korinths Galatiens für Jerusalem


1919 wird die Kirchensteuer in der [[Weimarer Reichsverfassung]] verankert. In Artikel 137, Absatz 6 heißt es: „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“
=== Die Entwicklung bis zum 19. Jahrhundert ===
Das [[Reichskonkordat]] von 1933 zwischen Hitler und dem Hl. Stuhl sicherte den Kirchen weiterhin das Recht auf Erhebung von Kirchensteuern zu (Schlussprotokoll zu Artikel 13).
Die Kirche lebt seit dem [[1. Jahrhundert]] von Schenkungen, Erbschaften und wie oben dargestellt von Kollekten, also Sammlungen unter Gliedern der christlichen Gemeinde. Ab dem [[6. Jahrhundert]] lässt sich eine Finanzierung der Kirche durch Bewirtschaftung von Grund und Boden feststellen.
Während im nationalsozialistischen Deutschland die Bestrebungen eher dahin gingen, die Religion zu unterdrücken, blieb die Kirchensteuer unangestastet.
Erst zum 1.12.1941 beschloss die Reichsregierung per Gesetz, die staatliche Mithilfe bei der Erhebung der Kirchensteuer zu verweigern. Das führte 1943 z.B. in Bayern dazu, die Kirchensteuer wieder durch eigene Kirchensteuerämter einzutreiben.
Das [[Grundgesetz]] der Bundesrepublik Deutschland übernahm 1949 in seinem Artikel 140 die Weimarer Regelung. Es heißt dort: „Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom [[11. August]] 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“


Die [[Synode von Mâcon]] ([[585]]) wandelt den einst freiwilligen [[Zehnt]] in eine allgemeine Pflichtabgabe um.
===Zur gegenwärtigen Situation in Deutschland===

Seit dem hohen Mittelalter entwickelt sich ein reges Stiftungswesen. [[Patrizier]], [[Zünfte]], [[Ritter]] und [[Reichsstadt|Reichsstädte]] treten oft als Stifter von [[Kirche (Gebäude)|Kirchen]], [[Kapelle]]n, [[Kloster|Klöstern]] und [[Pfarrer|Pfarrstellen]], für die sie dann die [[Patronat]]e übernehmen, auf. Viele Pfarrstellen waren so abgesichert.

Seit dem [[8. Jahrhundert]] sind aber auch Entwicklungen zu verzeichnen, die die finanzielle Lage der Kirchen belasten. Einen großen Einschnitt bedeutet das Wirken von Karl Martell, der von [[714]] bis [[741]] fränkischer Hausmeier war. Für die [[732]] ausgetragene Schlacht gegen die Araber bei Tours gab er Bauern Land aus kirchlichem Besitz als Lehen, wenn sie ihrem Herrn schwergepanzert in den Krieg folgten. [[Pippin der Jüngere|Pippin]], von [[741]] bis [[768]] König, führt den geistlichen Zehnt als Ausgleich für die Enteignungen in der Zeit Karl Martells ein. Im [[10. Jahrhundert]] wird der seit [[Karl der Kahle|Karl dem Kahlen]] ([[843]]-[[877]]) eingesetzte Zerfall der abendländischen Kultur besonders stark. Viele Adlige erzwingen die Übertragung von Klöstern in privaten Erbbesitz, Laienäbte werden eingesetzt. Ähnliches bewirken die Wirren im [[16. Jahrhundert]] infolge der [[Reformation]]. Kirchen und Klöster werden säkularisiert. Weltliche Landesherren bereichern sich daran. Schließlich wird im [[Augsburger Religionsfrieden]] von [[1555]] das „Landesherrliche Kirchenregiment“ festgeschrieben: „Wessen Region, dessen Religion“. Für etliche Regenten scheint dies ein Freibrief zur persönlichen Bereicherung gewesen zu sein.

Noch weiter geht der [[1789]] gefasste Beschluss der französischen Nationalversammlung, in der das gesamte Kirchengut zu Nationaleigentum erklärt wurde. Dies wird für den Bereich der heutigen Bundesrepublik Deutschland durch die Abtretung der linksrheinischen Gebiete Deutschlands an Frankreich im Jahr [[1797]] relevant; in den Folgejahren bis zur Niederlage Napoleons [[1815]] werden die linksrheinischen Kirchen als staatliche Verwaltungseinheiten verstanden und somit auch aus dem Staatshaushalt finanziert. Schließlich wird [[1803]] im [[Reichsdeputationshauptschluss]] die Säkularisation und damit die Enteignung der Kirche beschlossen.

=== Die Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert: auf dem Weg zur Kirchensteuer ===
In der nachnapoleonischen Zeit finanziert sich die Kirche zunächst durch

* Ertrag aus dem Restvermögen
* staatliche Leistungen, die auf Grund des landesherrlichen Kirchenregimentes gewährt werden
* staatliche Ergänzungsverpflichtungen wegen der Säkularisationen.

Im 19. Jahrhundert beginnt die [[Geldwirtschaft]] zu dominieren. Damit wird der [[Zehnt]]e unpraktikabel. So beginnt [[1827]] die Einführung der Kirchensteuer, nachdem sie [[1808]] noch in Preussen gescheitert war, weil die Bürger die Erhebung von Kirchensteuer als Eindringen des Staates in die persönlichen Verhältnisse auffassten. [[Lippe-Detmold]] ist das erste deutsche Territorium, in dem sie erhoben wird. Es folgen [[1831]] [[Oldenburg (Land)|Oldenburg]], [[1835]] die preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen durch die rheinisch-westfälische Kirchenordnung, [[1838]] [[Freistaat Sachsen|Sachsen]], [[1875]] [[Hessen]], [[1888]] [[Baden (Land)|Baden]], [[1892]] [[Bayern]] und [[1905]]/[[1906|06]] [[Preußen]]. Verschiedene Gründe sind für diese Entwicklung genannt worden. Es geht zum einen um den Versuch der Landesherrschaften sich aus dem Unterhalt der Kirchen zurückzuziehen, um so die öffentlichen Haushalte zu entlasten. Zum anderen wird damit argumentiert, dass der Anteil der kirchlich gebundenen Bevölkerung zurückgehe und so eine grundsätzliche allgemeine Finanzierung durch das Ganze des Staates nicht mehr begründbar sei.

[[1919]] wird die Kirchensteuer in der [[Weimarer Reichsverfassung]] verankert. In Artikel 137, Absatz 6 heißt es: „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“
Diese Steuern wurden <!-- laut http://www.kigst.de/gesetze/faq/faq-geschichte.htm --> vom Staat eingezogen und den Kirchen weitergeleitet, während im nationalsozialistischen Deutschland die Bestrebungen eher dahin gehen, die Religion zu unterdrücken und somit wird [[1943]] die Kirchensteuer wieder von der Kirche selber eingetrieben, z.B. in Bayern richteten die Kirchen eigene Kirchensteuerämter ein.
[[1939]] werden in [[Österreich]], das zu diesem Zeitpunkt wieder zu einem Teil des nun nationalsozialistischen Deutschen Reiches geworden war, Kirchenbeiträge als privatrechtliche Pflichtleistungen geordnet. Das [[Grundgesetz]] der Bundesrepublik Deutschland übernimmt [[1949]] in seinem Artikel 140 die Weimarer Regelung. Es heißt dort: „Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom [[11. August]] [[1919]] sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“

Der Mitgliedsbeitrag der Kirchen für die kirchliche Arbeit kann von den Kirchen deshalb erhoben werden, weil sie Körperschaften öffentlichen Rechts sind. Bis ca. [[1956]] wurden die Steuern in Haus-zu-Haus-Sammlungen monatlich oder quartalsweise erhoben. Von nun an wurde der Staat <!-- wieder --> um Mithilfe gebeten.

== Situation in Deutschland ==
===Rechtliche Voraussetzungen===


Zu den rechtlichen Voraussetzungen der Erhebung von Kirchensteuern zählen:
Voraussetzung für Kirchensteuererhebung sind


# die Anerkennung einer religiösen Organisation als [[Körperschaft des öffentlichen Rechts]]
# die Anerkennung einer religiösen Organisation als [[Körperschaft des öffentlichen Rechts]]
# Kirchensteuerbeschlüsse der zuständigen Leitungsgremien (es handelt sich hierbei beispielsweise in der [[Evangelische Kirche im Rheinland|Ev.Kirche im Rheinland]] um die [[Presbyterium|Presbyterien]], in der [[Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) |Protestantischen Landeskirche der Pfalz]] um die [[Landessynode]])
# Kirchensteuerbeschlüsse der zuständigen Leitungsgremien (z.B. in der [[Evangelische Kirche im Rheinland|Ev.Kirche im Rheinland]] die [[Presbyterium|Presbyterien]], in der [[Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche) |Protestantischen Landeskirche der Pfalz]] die [[Landessynode]]), in der katholischen Kirche die Kirchensteuerräte der jeweiligen (Erz-)Bistümer),
# die Zustimmung der jeweiligen Parlamente der Bundesländer zu den Kirchensteuergesetzen und schließlich,
# die Anerkennung der Beschlüsse durch die zuständigen Landesministerien (meist: Finanzministerium).
# die Kirchensteuerpflichtigkeit des Kirchenmitglieds. Diese beginnt grundsätzlich mit der Taufe. Durch die [[Kirchenaustritt]]serklärung, je nach Bundesland vor dem Amtsgericht bzw. dem Standesamt, erlischt diese Verpflichtung.


Entsprechend den derzeit geltenden Kirchensteuergesetzen werden in Baden-Württemberg und Bayern 8%, in den übrigen Bundesländern 9% der Lohn- und Einkommensteuer als Kirchensteuer eingezogen.
Heute beträgt die Kirchensteuer in den meisten Kirchen und Bundesländern, die in ihren Kirchensteuergesetzen eine Obergrenze festlegen, 8% bzw. 9% von der Einkommensteuer und erbringt je nach Kirche unterschiedlich etwa 63% bis 80% der kirchlichen Einnahmen. Davon ist ein Teil – z.B. sind es 2004 in Rheinland-Pfalz 4% – an die Finanzbehörden abzuführen als Betrag für die Dienstleistung der Steuererhebung.


Die Kirchensteuergesetzgebung der meisten Bundesländer (Ausnahmen sind Bayern und Mecklenburg-Vorpommern) und die entsprechenden Regelungen der meisten ev. Landeskirchen und der kath. (Erz-) Bistümer ermöglichen Kirchenmitgliedern eine "Kappung" der Kirchensteuer. Diese führt bei hohen Einkommen, die über der sog. Kappungsschwelle liegen, zur Absenkung der Kirchensteuer. Statt der gesetzlich vorgesehenen Höhe der Kirchensteuer begnügen sich die Kirchenleitungen mit einem gewissen Prozentsatz vom zu versteuernden Einkommen. Dieser Prozentsatz ist je nach Bundesland verschieden und schwankt zwischen 3 - 4%.
Zur Kirchensteuererhebung sind alle religiösen Körperschaften des öffentlichen Rechts in Deutschland berechtigt. Die evangelischen [[Freikirchen]] verzichten bewusst auf dieses Recht, da sie sich lehrmäßig zur [[Trennung von Kirche und Staat]] bekennen. Sie finanzieren ihre Arbeit durch freiwillige Mitgliedsbeiträge, die allerdings in der Regel höher sind als die Kirchensteuer. Diese Beiträge können bei den Finanzämtern jedoch als Kirchensteuern und „mildtätige Spenden“ geltend gemacht werden.
In der Mehrzahl der Bundesländer erfolgt die Kappung von Amts wegen, d.h. das Finanzamt wählt den für den Kirchensteuerpflichtigen günstigsten Modus. In Berlin, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland wird die Kappung nur auf Antrag gewährt. - Es gibt keinen einklagbaren Rechtsanspruch auf Kappung gegenüber der Kirche, denn die steuererhebende Kirche ist "autonomer Gesetzgeber".


Derzeit nutzen die Möglichkeit des Kirchensteuereinzugs durch staatliche Organe:
Derzeit nutzen die Möglichkeit des Kirchensteuereinzugs durch staatliche Organe:
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* die jüdischen Gemeinden ''(„Kultussteuer“)''
* die jüdischen Gemeinden ''(„Kultussteuer“)''


Die evangelischen [[Freikirchen]] verzichten auf dieses Recht, da sie sich lehrmäßig zur [[Trennung von Kirche und Staat]] bekennen. Sie finanzieren ihre Arbeit durch freiwillige Mitgliedsbeiträge, die in der Regel höher sind als die Kirchensteuer.
Die Pflicht zur Zahlung an die Kirchensteuer ist an die Zugehörigkeit zu den jeweiligen religiösen Organisationen gebunden und erlischt mit dem formalen Schritt des [[Kirchenaustritt]]s.


Außer den genannten Freikirchen erheben auch weitere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und deshalb das Recht zur Erhebung der Kirchensteuer haben, keine Kirchensteuer. Dazu gehören u.a. die [[Orthodoxe Kirche|orthodoxen Kirchen]], [[Christian Science]], die [[Neuapostolische Kirche]], die [[Christengemeinschaft]] sowie der [[Bund für Geistesfreiheit]], der Humanistische Verband Nordrhein-Westfalen, die Freien Humanisten Niedersachsen und Die Humanisten Württemberg.
Die Kirchensteuer kann in voller und unbegrenzter Höhe als [[Sonderausgaben|Sonderausgabe]] steuerlich geltend gemacht werden. Damit ist die durch die Kirchensteuer verursachte zusätzliche Belastung des Kirchensteuerzahlers bei Spitzenverdienern nur etwa halb so groß wie der der Kirche zufließende Betrag. Der Staat verzichtete infolge dieser Regelung im Jahr 2002 auf 3,58 Mrd. Euro. Bei einem Kirchensteueraufkommen der ev. und kath. Kirche von 8,5 Mrd Euro refinanziert der Staat die Kirchensteuer in der Höhe von ca. 40%


Die Länder behalten als Entgelt für den Einzug der Kirchensteuer je nach Bundesland unterschiedlich 2% (Bayern) bis 4,5 % (im Saarland) des Kirchensteueraufkommens ein, in der Regel 3%.
Im Jahr 2003 betrug das Kirchensteueraufkommen in Deutschland:
* Katholische Kirche 4,499 Mrd. Euro
* Evangelische Kirche 4,012 Mrd. Euro
* Gesamt 8,511 Mrd. Euro


Die gezahlte Kirchensteuer ist gemäß EStG § 10 Abs. 1, Nr. 4 als [[Sonderausgabe]] in voller und unbegrenzter Höhe vom zu versteuernden Einkommen absetzbar. Diese [[Subventionierung der gezahlten Kirchensteuer]] ist sehr hoch. Das Bundesministerium der Finanzen hat den Betrag für das Jahr 2004 mit 3,750 Mrd € prognostiziert, (19. Subventionsbericht, Bundestagsdrucksache 01.10. 2003) Der Staat refinanziert die Kirchensteuerzahlung demnach zu ca. 40%
===Berechnung===


===Umfang der Kirchensteuereinnahmen und deren Bedeutung für den kirchlichen Haushalt===
Der Kirchensteuersatz beträgt in Bayern, Baden und Württemberg <!-- da die Kirchensteuern von den Landeskirchen festgelegt werden, sollten sie auch deshalb getrennt aufgeführt werden --> 8 %, in den übrigen Ländern 9 %.


Im Jahr 2004 betrug das Kirchensteueraufkommen in Deutschland:
Hat der Steuerpflichtige [[Einkünfte]], die dem [[Halbeinkünfteverfahren]] unterliegen, ist für die Kirchensteuer der volle Betrag dieser Einkünfte Bemessungsgrundlage. Zur Berechnung der Kirchensteuer wird eine zweite Steuerberechnung durchgeführt, aus der eine fiktive [[Einkommensteuer]] berechnet wird.
* Katholische Kirche 4,158 Mrd. Euro
Hiervon werden (ähnlich wie beim [[Solidaritätszuschlag|Solidaritätszuschlag]]) noch [[Kinderfreibetrag|Kinderfreibeträge]] abgezogen.
* Evangelische Kirche 3,689 Mrd. Euro
* Gesamt 7,847 Mrd. Euro


Je nach Landeskirche bzw. (Erz-)Bistum machen die Kirchensteuereinnahmen zwischen 60 und 85 % des jeweiligen Haushalts aus.
Die Kirchensteuer beträgt dann 8 % oder 9 % der so berechneten fiktiven Einkommensteuer. Vereinfachend kann man sagen, daß auf Dividendeneinkünfte etc. die doppelte Kirchensteuer anfällt.


In ihren jeweiligen Haushalten weisen die Landeskirchen bzw. (Erz-Bistümer) folgende Ausgabenposten auf (Angaben gerundet):
Ein verheirateter [[Arbeitnehmer]] mit einem Monatsbruttolohn von bis zu 1500 € zahlt zum Beispiel gar keine Kirchensteuer; bei einem Monatsbruttolohn von 2000 € würden 3,70 € monatlich fällig. Wer monatlich 3000 € brutto verdient, zahlt als Verheirateter 24,86 €, mit einem Kind 14,13 €, mit zwei Kindern 4,87 €.


=== Verwendung ===
Die Kirchen verwenden die Kirchensteuereinnahmen nach eigenen Angaben folgendermaßen (gerundet):
* Katholische Kirche:
* Katholische Kirche:
** Personalkosten: ca. 60 %
** Personalkosten: ca. 60 %
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** Schule, Bildung, Soziales und Caritatives: ca. 10 %
** Schule, Bildung, Soziales und Caritatives: ca. 10 %


Dem entprechend kann die Bedeutung der Kirchensteuer für den genannten Bereich abgeschätzt werden.
===Deutsche Freikirchen===


In Deutschland verzichten die in der [[VEF|Vereinigung Evangelischer Freikirchen]] zusammengeschlossenen Konfessionen - aber auch andere freikirchliche Gemeinden - auf die Erhebung von Kirchensteuern. Ihnen ist eine deutliche Unterscheidung zwischen [[Trennung von Staat und Kirche|Staat und Kirche]] wichtig. Die Mitgliedsbeiträge werden als freiwillige Spenden gegeben; sie können wie die Kirchensteuer steuerlich abgesetzt werden. Viele Mitglieder orientieren sich für die Höhe ihres Beitrags am biblischen [[Zehnt|„Zehnten“]]. In manchen Gemeinden wird der biblische Zehnte als verbindliche Regel vorgegeben, wobei die Gemeindemitglieder in vielen Fällen frei darüber entscheiden können, wohin sie ihren Zehnten überweisen; denkbar sind Spenden für Bedürftige, freie Missionswerke oder „Brot für die Welt“ und ähnliche Verwendungszwecke. Einige Gemeinden verzichten auf eine Kontrolle, ob der Zehnte tatsächlich gegeben wird (vgl. dazu zum Beispiel den [[Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland]], den [[Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden]] in Deutschland oder die [[Evangelisch-methodistische Kirche]].)

===Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die keine Kirchensteuer erheben===

Außer den genannten Freikirchen erheben auch weitere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und deshalb das Recht zur Erhebung der Kirchensteuer haben, keine Kirchensteuer. Dazu gehören u.a. die [[Orthodoxe Kirche|orthodoxen Kirchen]], [[Christian Science]], die [[Neuapostolische Kirche]], die [[Christengemeinschaft]] sowie der [[Bund für Geistesfreiheit]], der Humanistische Verband Nordrhein-Westfalen, die Freien Humanisten Niedersachsen und Die Humanisten Württemberg.



== Situation in anderen Ländern ==

Der staatliche Kirchensteuereinzug ist im Wesentlichen eine deutsche Besonderheit, in anderen Ländern ist die Kirchensteuer weitgehend unbekannt. Dort erfolgt die Finanzierung der Kirchen über interne Beitragserhebungen oder Spenden, ähnlich dem teilweise auf Gemeindeebene erhobenen ''Kirchgeld''. Ansatzweise vergleichbar sind noch die Modelle in [[Schweden]], [[Dänemark]] sowie die '''Kirchengemeindesteuer''' in mehreren [[Kanton (Schweiz)|Kantonen]] der [[Schweiz]] und der, allerdings ohne staatliche Mithilfe, erhobene '''Kirchenbeitrag''' in [[Österreich]]. In [[Italien]], [[Ungarn]] und [[Spanien]] wurden andere im Artikel [[Mandatssteuer]] beschriebene Verfahren eingeführt.

=== Dänemark ===
Die Kirchensteuer ist in Dänemark bekannt. Sie wird mit den Kommunalsteuern erhoben und ist regional unterschiedlich geregelt. Ihre Höhe beträgt rund 1 % des zu versteuernden Einkommens. - Die lutherische Staatskirche wird zudem über den Staat finanziert.

=== Österreich ===
In Österreich ist die Erhebung eines Kirchenbeitrages in den Kirchen bzw. den römisch-katholischen Bistümern gesetzlich geregelt. Das System wurde in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft am 1. Mai 1939 eingeführt. Nach eigenen Angaben beabsichtigten die Nationalsozialisten, die kirchlichen Organisationen damit letztendlich zu beseitigen; denn mit der Einführung des Kirchenbeitrages wurden zugleich alle früheren gesetzlich garantierten Staatsleistung, die als Abgeltung für die Säkularisierung, d.h. Enteignung und Verstaatlichung, des Kirchenguts gezahlt wurden, gestrichen.

Die österreichischen Kirchen können mit den Beiträgen, die bei 1,1 % des steuerpflichtigen Einkommens bzw. 3 ‰ bis 8 ‰ vom landwirtschaftlichem Vermögen liegen, ihre Ausgaben weitgehend decken; in der Verwendung des Geldes sind die Kirchen frei. Ausstehende Beträge können heute - anders als 1939 - zivilrechtlich eingeklagt und gepfändet werden. Da die Kirchen und Bistümer keinen Einblick in die staatlichen Steuerlisten haben, geht ihnen etwa ein Drittel der Soll-Einnahmen durch falsche Angaben der Kirchenmitglieder verloren. Erhebung und Mahnwesen machen in der kleinen (lutherischen) Kirche Augsburgischen Bekenntnisses zzt. 28 %, in den größeren römisch-katholischen Diözesen etwa 15 % des Beitragsaufkommens aus.

Als ein „österreichisches Kuriosum vor tragischem Hintergrund“ muss es angesehen werden, dass die israelitische Kultusgemeinde auf Grund einer Regelung des Israelitengesetzes von 1890 weiterhin den Kultusbeitrag mit staatlicher Verwaltungshilfe erheben kann.

=== Schweden ===
In Schweden wird die „Abgabe an Religionsgemeinschaften“ erhoben. Kam sie früher allein der evangelisch-lutherischen Staatskirche, der „Schwedischen Kirche“, zu Gute, so wird sie seit dem Steuerjahr 2001 auch zugunsten anderer Religionsgemeinschaften, zum Beispiel der römisch-katholischen Kirche, der Evangelisch-methodistischen Kirche oder der Heilsarmee, erhoben. Die Abgabe ist für die Schwedische Kirche örtlich unterschiedlich, liegt aber meist bei etwa 1,2&nbsp;% des zu versteuernden Einkommens. Bei den anderen Religionsgemeinschaften beträgt die Abgabe 1&nbsp;%.

Nicht der Staatskirche angehörende Personen zahlten bis 2001 rund 30&nbsp;% der Kirchensteuer für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben durch die Kirche in den Bereichen Bevölkerungsregistrierung (Einwohnermelderegister und Personenstandsregister) und Begräbniswesen. Heute fungieren die staatlichen Finanzämter auch als Melde- und Standesämter, sodass nur noch das Begräbniswesen von der Schwedischen Kirche für den Staat verwaltet wird; Ausnahmen bilden Stockholm und Tranås, wo die Stadtverwaltung diese Aufgaben wahrnimmt. Deswegen zahlen Einwohner, die der Schwedischen Kirche nicht angehören, nur noch eine Bestattungsabgabe von etwa 0,22&nbsp;% an diese Kirche. In Stockholm und Tranås hingegen zahlen alle Einwohner diese Bestattungsabgabe an die Stadt und nicht an die Schwedische Kirche.

Geschuldete Abgaben können wie in Deutschland und bei staatlichen Steuern gegebenenfalls hoheitlich im Wege des Verwaltungszwangs, also ohne vorherige Klageerhebung beigetrieben werden.

=== Schweiz ===
Das Staatskirchenrecht ist in der Eidgenossenschaft kantonales Recht. Dem folgt auch die - sehr unterschiedliche - Ordnung der Kirchensteuern. Ein Versuch, Staat und Kirche vollständig zu trennen und damit die Kirchensteuer abzuschaffen, wurde in einer Volksabstimmung im Jahr 1980 mit 79 % der Stimmen abgelehnt. Die Kirchensteuer ist immer eine gemeindliche Steuer. Kontalskirchen- oder Diözesankirchensteueren sind - anders als in Deutschland möglich und teilweise praktiziert - nicht möglich. Die Kirchengemeinden sind in der Mehrzahl der Kantone durch die jeweilige Verfassung als staatliche Sondergemeinden eingerichtet; daher können sie gemäß staatlichen Vorgaben Steuern einziehen und verwalten. Diese decken weitgehend die Ausgaben für die örtlichen kirchlichen Aktivitäten.
Die Kirchensteuer wird vom Einkommen errechnet. In einigen Kantonen ist außerdem die – auch in Deutschland rechtlich mögliche – Erhebung vom Vermögen möglich. Mancherorts fordern die Kirchengemeinden die Steuern selbst ein, andernorts ziehen Staat oder politische Gemeinde gegen ein Entgelt von rund 3% die Kirchgemeindesteuer ein.

Die kantonalen Unterschiede sind zum Teil erheblich.
In 20 der 26 Kantone werden Kirchensteuern von natürlichen wie juristischen Personen erhoben.
In Genf wird die Kirchensteuer gemeinsam mit den Kommunalsteuern in Rechnung gestellt. Gezahlte Beiträge werden gegen eine Vergütung von 2 % der eingegangenen Gelder an die Kirchen weiter geleitet. – Allerdings ist die Kirchensteuer fakultativ, so dass nur rund 30 % der zu erwartenden Kirchensteuer eingehen.
In Glarus müssen jene, die nicht zu einer anerkannten Konfession gehören, zwar keine reguläre Kirchensteuer zahlen; der halbe Satz ist aber für die Aufwendungen, die den Kirchen in Wahrnehmung bürgerlicher Aufgaben entstehen, fällig.
Die Kantone Genf, Neuenburg, Waadt, Wallis und Tessin kennen die Kirchensteuer im engeren Sinne nicht. Teilweise übernehmen hier die Kantone oder Kommunalgemeinden direkt die Finanzierung der Kirchen und Kultusausgaben. In Neuenburg gilt für die Kirchen eine privatrechtliche Organisationsform. Im Tessin steht eine rechtliche Regelung seit 1886 aus. Derzeit übernehmen die Ortsgemeinden Kosten katholischer Kirchengemeinden.

Im Kanton Bern werden zwar Kirchensteuern erhoben. Gleichwohl werden die Pfarrer vom Kanton besoldet und gelten als staatliche Beamte. Kirchliche Stiftungen tragen und verwalten in vielen Fällen die kirchlichen Gebäude.


== Die Kirchensteuer in der Kritik ==
== Die Kirchensteuer in der Kritik ==


Die Kirchensteuer als bekannteste Form der Kirchenfinanzierung wird aus unterschiedlichen Perspektiven kritisiert. Die Kritik bezieht sich sowohl auf die Steuer als Instrument an sich als auch auf eine Reihe von Auswirkungen dieser Steuer und ihrer konkreten Handhabung in den staatlichen und kirchlichen Raum hinein.
Die Kirchensteuer (als Annexsteuer), die bekannteste Form der Kirchenfinanzierung, wird aus unterschiedlichen Perspektiven kritisiert. Die Kritik bezieht sich sowohl auf die Steuer als Instrument der Kirchenfinanzierung an sich als auch auf eine Reihe ihrer Auswirkungen und die Folgen ihrer Handhabung in den staatlichen und kirchlichen Raum hinein.




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* Das Kirchensteuerprivileg, obwohl grundgesetzlich verankert, widerspricht im Kern der ebenfalls grundgesetzlich festgelegten Trennung von Staat und Kirche, also der weltanschaulichen Neutralität des Staates.
* Das Kirchensteuerprivileg, obwohl grundgesetzlich verankert, widerspricht im Kern der ebenfalls grundgesetzlich festgelegten Trennung von Staat und Kirche, also der weltanschaulichen Neutralität des Staates.
* Das Hoheitsrecht der Kirchen, als Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuern zu erheben, diskriminiert andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die diesen Status entweder nicht erwerben können oder aus Glaubensgründen nicht erwerben wollen.
* Das Hoheitsrecht der Kirchen, als Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuern zu erheben, diskriminiert andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die diesen Status entweder nicht erwerben können oder aus Glaubensgründen nicht erwerben wollen.
* Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer fordert von allen abhängig Beschäftigten, auf der Lohnsteuerkarte ihren Konfessionsstatus mitzuteilen. Darin wird ein Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit gesehen.
* Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer fordert von allen abhängig Beschäftigten, auf der Lohnsteuerkarte ihren Konfessionsstatus anzugeben. Darin wird ein Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit gesehen.
* § 10 Abs.1 Nr. 4 EStG gestattet die unbegrenzte steuerliche Absetzbarkeit der gezahlten Kirchensteuer als [[Sonderausgabe]]. Laut Subventionsbericht der Bundesregierung hat dies die „Begünstigung anerkannter Religionsgesellschaften und ihnen gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchenpolitischen und sozialpolitischen Erwägungen“ zum Ziel. Diese Regelung bevorzugt solche Religionsgemeinschaften, die Kirchensteuern erheben gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Gruppen, deren Relevanz ebenfalls grundgesetzlich verankert ist, z.B. Parteien und Gewerkschaften.
* § 10 Abs.1 Nr. 4 EStG gestattet die unbegrenzte steuerliche Absetzbarkeit der gezahlten Kirchensteuer als [[Sonderausgabe]]. Laut Subventionsbericht der Bundesregierung hat dies die „Begünstigung anerkannter Religionsgesellschaften und ihnen gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchenpolitischen und sozialpolitischen Erwägungen“ zum Ziel. Diese Regelung bevorzugt solche Religionsgemeinschaften, die Kirchensteuern erheben gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Gruppen, deren Relevanz ebenfalls grundgesetzlich verankert ist, z.B. Parteien und Gewerkschaften.
* Die „fiktive“ Kirchensteuer: Bei allen, auch den konfessionslosen BezieherInnen von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, des Vorruhestands- und Unterhaltsgeldes sowie des Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeldes wurde (bis zum Jahr 2004 einschließlich) ein Abschlag in Höhe der „fiktiv“ anfallenden Kirchensteuer vom Arbeitslosengeld vorgenommen, ein Betrag, der nicht den Kirchen zugute kam. Die Betroffenen wurden vielmehr Opfer der Verquickung von Staat und Kirche, denn die „einbehaltene Kirchensteuer“ wurde als „gewöhnlich anfallender Entgeltabzug“ bezeichnet. Erst mit der Neuregelung von ALG II ab 1. Januar 2005 ist diese Regelung weggefallen.
* Die „fiktive“ Kirchensteuer: Bei allen, auch den konfessionslosen BezieherInnen von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, des Vorruhestands- und Unterhaltsgeldes sowie des Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeldes wurde (bis zum Jahr 2004 einschließlich) ein Abschlag in Höhe der „fiktiv“ anfallenden Kirchensteuer vom Arbeitslosengeld vorgenommen, ein Betrag, der nicht den Kirchen zugute kam. Die Betroffenen wurden vielmehr Opfer der Verquickung von Staat und Kirche, denn die „einbehaltene Kirchensteuer“ wurde als „gewöhnlich anfallender Entgeltabzug“ bezeichnet. Erst mit der Neuregelung von ALG II ab 1. Januar 2005 ist diese Regelung weggefallen.
Zur Frage Rechtmäßigkeit dieser bis einschließlich 2004 geltenden Regelung ist noch ein Rechtsstreit beim Europäischen Gerichtshof anhängig.


In der Bundesrepublik Deutschland kam es 1973 in Folge der „Freiburger Thesen“ der [[FDP (Deutschland)|FDP]] zur Diskussion, da dort die [[Trennung von Staat und Kirche]] und damit die Ersetzung des staatlichen Kirchensteuereinzugs durch ein kircheneigenes Beitragssystem gefordert wurde. In abgeschwächter Form finden sich diese Forderungen auch heute noch im Programm der FDP. Ähnliche Positionen wurden früher außerdem von der Partei „Die Grünen“ formuliert.
In der Bundesrepublik Deutschland geriet die Kirchensteuer 1973 in Folge der „Freiburger Thesen“ der [[FDP (Deutschland)|FDP]] in die Diskussion, da von der Partei die [[Trennung von Staat und Kirche]] und damit die Ersetzung des staatlichen Kirchensteuereinzugs durch ein kircheneigenes Beitragssystem gefordert wurde. In abgeschwächter Form finden sich diese Forderungen auch heute noch im Programm der FDP. Ähnliche Positionen wurden früher außerdem von der Partei „Die Grünen“ formuliert.
Auch die [[Die Linkspartei.|Linkspartei]] lehnt sowohl die grundgesetzliche Verankerung der Kirchensteuer als auch den staatlichen Einzug dieser Steuer ab.
Auch die [[Die Linkspartei|Linkspartei]] lehnt sowohl die grundgesetzliche Verankerung der Kirchensteuer als auch deren staatlichen Einzug ab.


=== Kritik aus kirchlich-theologischer Perspektive ===
=== Kritik aus kirchlich-theologischer Perspektive ===


Von kirchen-reformerischen Gruppen werden zusätzlich folgende Kritikpunkte u.a. angeführt:
Von kirchen-reformerischen Gruppen werden zusätzlich folgende Kritikpunkte u.a. angeführt:


* Der Steuer-Charakter dieser Kirchenfinanzquelle verschleiert, dass es sich um den ganz persönlichen Mitgliedsbeitrag bei einer Glaubensgemeinschaft handelt.
* Der Steuer-Charakter dieser Kirchenfinanzquelle verschleiert, dass es sich bei ihr um den ganz persönlichen Mitgliedsbeitrag bei einer Glaubensgemeinschaft handelt.
* Der staatliche Einzug der Kirchensteuer, der auch die Möglichkeit Zwangsbeitreibung beinhaltet, lässt die Kirchen als staatliche Einrichtungen erscheinen.
* Der staatliche Einzug der Kirchensteuer, der auch die Möglichkeit der Zwangsbeitreibung einschließt, lässt die Kirchen als staatliche Einrichtungen erscheinen.
* Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und [[Einkommensteuer]] lässt die Kirchensteuer teilhaben an den Ungerechtigkeiten und Verwerfungen dieser Steuerart. Des weiteren werden die Kirchen abhängig von der jeweiligen Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik des Staates und den Tarifpartnern.
* Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und [[Einkommensteuer]] lässt die Kirchensteuer teilhaben an den Ungerechtigkeiten und Verwerfungen dieser Steuerart. Des weiteren werden die Kirchen abhängig von der jeweiligen Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik des Staates und den Tarifpartnern.
* Nur ca. 30 Prozent der Kirchenmitglieder tragen per Kirchensteuer zur Finanzierung der Kirchen bei.
* Nur ca. 30 Prozent der Kirchenmitglieder tragen per Kirchensteuer zur Finanzierung der Kirchen bei.
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* Der staatliche Kirchensteuereinzug begünstigt und verfestigt bestimmte Kirchenstrukturen: die Entmündigung der Gemeinden und die Etablierung und Wucherung der Kirchenbürokratie.
* Der staatliche Kirchensteuereinzug begünstigt und verfestigt bestimmte Kirchenstrukturen: die Entmündigung der Gemeinden und die Etablierung und Wucherung der Kirchenbürokratie.
* Die Nicht-Zahlung von Kirchensteuern wird mit der härtesten Kirchenstrafe, der Exkommunikation, geahndet, obwohl dieses Delikt im [[Codex Iuris Canonici|Kirchlichen Gesetzbuch]] nicht existiert und nur einen deutschen Sonderstraftatbestand darstellt.
* Die Nicht-Zahlung von Kirchensteuern wird mit der härtesten Kirchenstrafe, der Exkommunikation, geahndet, obwohl dieses Delikt im [[Codex Iuris Canonici|Kirchlichen Gesetzbuch]] nicht existiert und nur einen deutschen Sonderstraftatbestand darstellt.
* Ferner benutzen die Kirchen auch heute noch das Kirchensteuer-Zahlen als Druckmittel: ohne dieses können die Taufe von Kindern, die Patenschaft bei der Taufe und das Begräbnis verweigert werden.
* Ferner benutzen die Kirchen auch heute noch das Kirchensteuer-Zahlen als Druckmittel: ohne dieses können z.B. die Taufe von Kindern, die Patenschaft bei der Taufe und das Begräbnis verweigert werden.
* Die Einrichtung der Kirchensteuer-Kappung stellt strukturell eine Option für die Reichen und Großverdiener dar.
* Die Einrichtung der Kirchensteuer-Kappung stellt strukturell eine Option für die Reichen und Großverdiener dar.
* Die Verquickung von staatlich verpflichtender Steuerzahlung und individueller Kirchenmitgliedschaft führt dazu, dass die Kirchen dogmatisch falsche Aussagen verbreiten: die Kirchen bezeichnen den standesamtlich bzw. amtsgerichtlich beurkundeten „staatlichen Kirchenaustritt“ ihrerseits auch als Kirchenaustritt. Einen Kirchenaustritt allerdings kennt die katholische Kirche nicht, auch nicht als Straftatbestand im Kirchlichen Gesetzbuch (CIC von 1983). Die durch die Taufe begonnene Kirchenmitgliedschaft ist nach katholischer Lehre unumkehrbar (Lehre vom unauslöschlichen Siegel). Dem entsprechend ist die Kennzeichnung „Wiedereintritt in die Kirche“ im Fall, dass per Eintrag auf der [[Lohnsteuerkarte]] wieder Kirchensteuer gezahlt wird, unzutreffend.
* Die Verquickung von staatlich verpflichtender Steuerzahlung und individueller Kirchenmitgliedschaft führt dazu, dass die Kirchen dogmatisch falsche Aussagen verbreiten: die Kirchen bezeichnen den standesamtlich bzw. amtsgerichtlich beurkundeten „staatlichen Kirchenaustritt“ ihrerseits auch als Kirchenaustritt. Einen Kirchenaustritt aber kennt die katholische Kirche nicht, auch nicht als Straftatbestand im Kirchlichen Gesetzbuch (CIC von 1983). Die durch die Taufe begonnene Kirchenmitgliedschaft ist nach katholischer Lehre unumkehrbar (Lehre vom unauslöschlichen Siegel). Dem entsprechend ist die Kennzeichnung „Wiedereintritt in die Kirche“ im Fall, dass per Eintrag auf der [[Lohnsteuerkarte]] wieder Kirchensteuer gezahlt wird, unzutreffend.


Angesicht des stetigen großen Zuwachses beim Kirchensteueraufkommens in den letzten 50 Jahren konnten die Kirchensteuerkirchen jegliche theologische Kritik an der Kirchensteuer abblocken und unterdrücken. Die Kirchentagsleitungen beider Konfessionen z.B. schlossen Diskussionen um die Kirchensteuer kategorisch aus.
Mit Hinweisen auf die stetigen großen Zuwächse des Kirchensteueraufkommens in den letzten 50 Jahren konnten die Kirchensteuerkirchen jegliche theologische Kritik an der Kirchensteuer abblocken und unterdrücken. Die Kirchentagsleitungen beider Konfessionen z.B. schlossen Diskussionen um die Kirchensteuer auf ihren Veranstaltungen kategorisch aus.
Lediglich nach [[1990]] gab es in der [[Evangelische Kirche in Deutschland|Evangelischen Kirche in Deutschland]] kurzfristig eine nennenswerte Diskussion, angestoßen von den evangelischen Landeskirchen im Bereich der früheren DDR. Auf Grund ihrer Geschichte in der DDR forderten sie eine größere Distanz zum Staat, was teilweise in die Forderung einmündete, die Kirchensteuer abzuschaffen.
Lediglich nach [[1990]] gab es in der [[Evangelischen Kirche in Deutschland|Evangelischen Kirche in Deutschland]] kurzfristig eine nennenswerte Diskussion, angestoßen von den Landeskirchen im Bereich der früheren DDR. Auf Grund ihrer Geschichte in der DDR forderten sie eine größere Distanz zum Staat, was teilweise in die Forderung einmündete, die staatliche Kirchensteuer ganz abzuschaffen.


Die Kritik aus kirchlich-theologischer Perspektive wurde katholischerseits von einzelnen Theologen (Prof. Dr. H.Mynarek, Prof. Dr. Horst Herrmann, in neuerer Zeit [[Paul Zulehner|Prof. Dr. Paul Zulehner]]) und von verschiedenen kirchen-kritischen Gruppen vorgetragen, dem „Bensberger Kreis“, dem „Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V.“, der „Initiative Kirche von unten“, Ikvu, dem „Arbeitskreis Halle“ und der „Kirchenvolksbewegung“ bzw. „[[Wir sind Kirche]]“.
Die Kritik aus kirchlich-theologischer Perspektive wurde katholischerseits von einzelnen Theologen (Prof. Dr. H.Mynarek, Prof. Dr. Horst Herrmann, in neuerer Zeit [[Paul Zulehner|Prof. Dr. Paul Zulehner]]) und von verschiedenen kirchen-kritischen Gruppen vorgetragen, dem „Bensberger Kreis“, dem „Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V.“, der „Initiative Kirche von unten“, Ikvu, dem „Arbeitskreis Halle“ und der „Kirchenvolksbewegung“ bzw. „[[Wir sind Kirche]]“.


Auf evangelischer Seite war es z.B. der „Bund gegen Kirchensteuermißbrauch e.V. Bremen“. Der Dietrich Bonhoeffer-Verein hat in den letzten Jahren einen Reformvorschlag erarbeitet („[[Kultursteuer]] und [[Sozialsteuer]] statt staatlicher Kirchensteuereinzug“) Pfarrer Karl Martin, hat diesen Vorschlag in der Publikation „Abschied von der Kirchensteuer“ vorgestellt. Bereits 1972 hatte der Kirchenkritiker [[Horst Herrmann]] eine Alternative vorgeschlagen, die später z.B. in [[Italien]] und [[Spanien]] eingeführt wurde (mit Zustimmung des [[Vatikan]]) und gegenwärtig in weiteren europäischen Ländern diskutiert wird, gilt die sog. [[Mandatssteuer]].
Auf evangelischer Seite war es z.B. der „Bund gegen Kirchensteuermißbrauch e.V. Bremen“. Der Dietrich Bonhoeffer-Verein hat in den letzten Jahren einen Reformvorschlag erarbeitet („[[Kultursteuer]] und [[Sozialsteuer]] statt staatlicher Kirchensteuereinzug“) Pfr. Karl Martin, hat diesen Vorschlag in seiner Publikation „Abschied von der Kirchensteuer“ vorgestellt. Bereits 1972 hatte der Kirchenkritiker [[Horst Herrmann]] eine Alternative vorgestellt, die später z.B. in [[Italien]] und [[Spanien]] eingeführt wurde (mit Zustimmung des [[Vatikan]]s) und gegenwärtig in weiteren europäischen Ländern diskutiert wird, die sog. [[Mandatssteuer]].


== Siehe auch:==
== Siehe auch:==
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* Frerk, Carsten: ''Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland''; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2002; ISBN 3-932710-39-8
* Frerk, Carsten: ''Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland''; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2002; ISBN 3-932710-39-8
* Frerk, Carsten: ''Caritas und Diakonie in Deutschland''; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2005; ISBN 3-865690-00-9
* Frerk, Carsten: ''Caritas und Diakonie in Deutschland''; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2005; ISBN 3-865690-00-9
* Gatz, Erwin, Geschichte des kirchlichen Lebens, Bd.VI Kirchenfinanzen, Freiburg: Herder Verlag, 2000; ISBN 3-451-23668-0
* Herrmann, Horst: ''Kirche, Kapital, Klerus. Hintergründe einer deutschen Allianz''; Münster: LIT, 2003; ISBN 3-8258-6862-1
* Herrmann, Horst: ''Kirche, Kapital, Klerus. Hintergründe einer deutschen Allianz''; Münster: LIT, 2003; ISBN 3-8258-6862-1
* Herrmann, Horst: ''Die Kirche und unser Geld. Daten, Fakten, Hintergründe''; Hamburg: Rasch und Röhring, 1990; ISBN 3-89136-301-X
* Herrmann, Horst: ''Die Kirche und unser Geld. Daten, Fakten, Hintergründe''; Hamburg: Rasch und Röhring, 1990; ISBN 3-89136-301-X
* Herrmann, Horst: ''Kirchensteuer als Mandat? Eine Anfrage an Staat und Kirche''; in: Stimmen der Zeit 97 (1972), S. 398-400
* Herrmann, Horst: ''Kirchensteuer als Mandat? Eine Anfrage an Staat und Kirche''; in: Stimmen der Zeit 97 (1972), S. 398-400
* 19. Subventionsbericht, Bundestagsdrucksache vom 01.10. 2003, S. 113 2003
* Walser, Markus: ''Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein bzw. Erzbistum Vaduz (Finanzierungsmodelle)''; in: Wille, Herbert; Baur, Georges (Hg.): ''Staat und Kirche : grundsätzliche und aktuelle Probleme''; Symposium des Liechtenstein-Instituts vom 25. bis 27. März 1999; Vaduz: Verlag der Liechtensteinischen Akademischen Gesellschaft, 1999; Liechtensteinische politische Schriften, Bd. 26; S. 326-364; ISBN 3721110382. Walsers Artikel ist im Internet als [http://mypage.bluewin.ch/libertas-ecclesiae/fl99.htm htm-] oder [http://mypage.bluewin.ch/libertas-ecclesiae/fl99.rtf rtf-]Datei verfügbar.
* [http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/SET=2/TTL=5/CMD?ACT=SRCHA&IKT=8502&SRT=YOP&TRM=Kirchensteuer Literatur zur Kirchensteuer im Online-Katalog der Deutschen Bibliothek]
* [http://dispatch.opac.ddb.de/DB=4.1/SET=2/TTL=5/CMD?ACT=SRCHA&IKT=8502&SRT=YOP&TRM=Kirchensteuer Literatur zur Kirchensteuer im Online-Katalog der Deutschen Bibliothek]


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* [http://www.emk.de/fakten/39_408.htm Stellungnahme der [[Evangelisch-methodistische Kirche|Evangelisch-methodistische Kirche]] ]
* [http://www.emk.de/fakten/39_408.htm Stellungnahme der [[Evangelisch-methodistische Kirche|Evangelisch-methodistische Kirche]] ]


== Weitere Informationen ==
===Kirchensteuer international===
* '''Kirchensteuertelefon''': Informationen zur Kirchensteuer und Kirchensteuerkappung über Kirchensteuertelefon (0800 713 713 7)
*[http://www.dhs.ch/externe/protect/textes/d/D26203.html Artikel ''Kirchensteuer''] im [[Historisches Lexikon der Schweiz|Historischen Lexikon der Schweiz]]



{{Rechtshinweis}}
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Version vom 27. Januar 2006, 19:43 Uhr

Kirchensteuer ist der Sammelbegriff für alle Steuern, die in der Deutschland vom Staat, genauer von den Bundesländern im Auftrag der Kirchen von deren Mitgliedern erhoben werden. Sie stellen einen wichtigen Teil der Kirchenfinanzierung in Deutschland dar.

Nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Verfassung sind diejenigen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, berechtigt, Steuern zu erheben.

Bemessungsgrundlagen für die Kirchensteuern sind: die Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer (Kircheneinkommensteuer, Kirchenlohnsteuer) und die Grundsteuer A (Kirchengrundsteuer). Rechtlich möglich ist auch die Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Vermögensteuer sowie zum Solidaritätszuschlag; die Kirchen in Deutschland haben auf diese beiden Möglichkeiten bisher verzichtet. Das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe, ebenfalls eine Kirchensteuer, knüpft an den "Lebensführungsaufwand" einer Ehe an. In einigen Bundesländern wird eine Mindestbetrags-Kirchensteuer eingezogen.

Die Höhe der Kirchensteuer wird von den Kirchenleitungen festgesetzt. Rechtskraft erhalten die kirchlichen Festsetzungen durch die Zustimmung der jeweiligen Länderparlamente zu ihren Kirchensteuergesetzen.

Der staatliche Kirchensteuereinzug ist eine deutsche Besonderheit; er ist nicht durch Grundgesetz sondern nur per Ländergesetz geregelt. Die kirchliche Situation anderer Länder siehe unter Kirchenfinanzierung in anderen Staaten

Im Folgenden ist nur von der Kirchensteuer die Rede, die an die Lohn- und Einkommensteuer anknüpft (Annexsteuer).


Exkurs: Auf dem Weg zur Kirchensteuer

Von einer Kirchensteuer im heutigen Verständnis kann ansatzweise erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts gesprochen werden. Durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurde den weltlichen Fürsten des Reiches eine Entschädigung für die im Frieden mit Frankreich (Luneville 1801) besiegelte Abtretung ihrer linksrheinischen Gebiete (an Frankreich) zugesichert. Im Zug dieser Entschädigung wurden fast alle rechtsrheinischen reichsunmittelbaren geistlichen Gebiete auf die zu entschädigenden Territorialherren aufgeteilt (Ausnahme u.a. das Bistum Regensburg). Ferner wurde diesen zugestanden, auch die Güter der in ihren Ländern gelegenen fundierten Stifte, Abteien und Klöster einzuziehen. Davon machten alle außer den Habsburgern Gebrauch. Das gesamte Vermögen in der Hand der Kirchen, geistlicher und religiöser Institutionen, das die öffentliche Funktion der Kirche betraf, wurde von der öffentlichen Gewalt beansprucht. Das für die Seelsorge, Caritas und unter Umständen noch Unterricht vorhandene Vermögen wurde nicht nur von der Säkularisation ausgenommen, sondern auch ausdrücklich vor jeder Zweckentfremdung geschützt. Nach 1803 gab es also nur noch das der Seelsorge dienende "eigentümliche Kirchengut". Es befand sich fast ausschließlich bei den einzelnen Gemeinden und umfasste drei Arten von Vermögensträgern: zunächst die Pfründe. Darunter versteht man die Vermögensmasse, aus deren Ertrag die Versorgung des jeweiligen Stelleninhabers bestritten wird. Dann die Kirchenstiftung: jenes Erwerbsvermögen, mit dem sowohl die Unterhaltungskosten für die der Seelsorge dienenden Gebäude ist als auch alle Auslagen für den Gottesdienst zu bestreiten sind. Schließlich noch Stiftungen für Arme, Kranke und u. U. für Schulen, soweit Stiftungen solcher Zielsetzung in einzelnen Gemeinden vorhanden waren.

In vielen konkreten Fällen blieb auch dem säkularisierenden Staat weiterhin die Sorge für den Unterhalt von Kirche und Pfarre. Mit der damals allen staatlichen Behörden eigenen umsichtigen Sparsamkeit begannen diese nach 1803, die kirchlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Für einige Zeit kamen sie auch leidlich damit zurecht. Doch die finanziellen Aufgaben der Kirche wuchsen: Die Bevölkerungszunahme, die beginnende Industrialisierung und das Entstehen großer Städte stehen dahinter. Außerdem setzte langsam eine Binnenwanderung ein. In den wichtigsten industriellen Ballungsräumen wurde durch Zuwanderung die bisherige konfessionelle Geschlossenheit aufgebrochen. Es entstanden Diasporagemeinden. Die politischen Gemeinden konnten zur Finanzierung dieser Aufgaben nicht mehr angehalten werden. Denn zu der gleichen Zeit vollzog sich die langsame Trennung von politischer und kirchlicher Gemeinde. Es kamen weitere Beeinträchtigungen der Kirchen hinzu: Im Gefolge der revolutionären Bewegungen von 1848 fielen viele am Grundbesitz haftenden dinglichen und persönlichen Leistungen, also Zehnt und andere Abgaben in Geld und Naturalien sowie persönliche Handdienste weg. Den kirchlichen Vermögensträgern wurde für diese Ertragsminderung des Vermögens keine Entschädigung geleistet. Angesichts dieser und anderer Einnahmeminderungen wurde den Kirchen das Besteuerungsrecht anfangs aufgezwungen, um sich staatlicherseits zu entlasten. Vgl. Erwin Gatz

So beginnt 1827in Lippe-Detmold die Einführung der Kirchensteuer, nachdem sie 1808 in Preussen noch gescheitert war. Es folgen 1831 Oldenburg, 1835 die preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen durch die rheinisch-westfälische Kirchenordnung, 1838 Sachsen, 1875 Hessen, 1888 Baden, 1892 Bayern und 1905/06 Preußen.

Das staatliche Hoheitsrecht wurde zunächst nicht allen Kirchengemeinden gegeben und sollte auch kein Recht auf Dauer sein. Die Einrichtung der Kirchensteuer erfolgte also auf Initiative des Staates und war von ihrem Ursprung her nur als zusätzliche Hilfsquelle für besondere Aufgaben einer einzelnen Gemeinde gedacht.

Der Staat wachte streng über dieses von ihm geliehene Hoheitsrecht. Steuern durften grundsätzlich nur für Bedürfnisse der eigenen Gemeinde erhoben werden. Waren diese Bedürfnisse hoch, dann konnte vor der staatlichen Behörde ein entsprechend hoher Hebesatz beantragt werden. So kam es dazu, dass in der einen Gemeinde überhaupt keine Kirchensteuer erhoben wurde, in einer zweiten dagegen eine Steuer mit einem Hebesatz von 4 Prozent und in einer dritten eine mit einem Hebesatz von 22 Prozent. Reichere Gemeinden durften ihren ärmeren Schwestergemeinden nicht ausgleichend zur Hilfe kommen. Allerdings sah der staatliche Gesetzgeber den Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu einem Kirchensteuerverband vor. In Berlin schlossen sich z.B. nach 1895 alle protestantischen Gemeinden zu einem Ortskirchensteuerverband zusammen. Damit gab die Einzelgemeinde das ihr vom Staat verliehene Hoheitsrecht an den Ortsverband ab. Doch bei weitem nicht alle Städte akzeptierten derartige Zusammenlegungen. Viele fürchteten um ihre finanzielle Autonomie. Die staatliche Kirchensteuergesetzgebung war demnach ein fast vollständig auf die einzelne Ortsgemeinde zugeschnittenes Gesetz. Mit dem Ziel, zu einer Selbstfinanzierung der Kirchen und dementsprechend zu größeren Entflechtung von Staat und Kirche zu kommen, wurden landesweit Kirchensteuern z.B. 1875 in Preußen eingeführt, 1887 in Württemberg und (erst) 1912 im Königreich Bayern eingeführt.

1919 wird die Kirchensteuer in der Weimarer Reichsverfassung verankert. In Artikel 137, Absatz 6 heißt es: „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ Das Reichskonkordat von 1933 zwischen Hitler und dem Hl. Stuhl sicherte den Kirchen weiterhin das Recht auf Erhebung von Kirchensteuern zu (Schlussprotokoll zu Artikel 13). Während im nationalsozialistischen Deutschland die Bestrebungen eher dahin gingen, die Religion zu unterdrücken, blieb die Kirchensteuer unangestastet. Erst zum 1.12.1941 beschloss die Reichsregierung per Gesetz, die staatliche Mithilfe bei der Erhebung der Kirchensteuer zu verweigern. Das führte 1943 z.B. in Bayern dazu, die Kirchensteuer wieder durch eigene Kirchensteuerämter einzutreiben. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernahm 1949 in seinem Artikel 140 die Weimarer Regelung. Es heißt dort: „Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“


Zur gegenwärtigen Situation in Deutschland

Zu den rechtlichen Voraussetzungen der Erhebung von Kirchensteuern zählen:

  1. die Anerkennung einer religiösen Organisation als Körperschaft des öffentlichen Rechts
  2. Kirchensteuerbeschlüsse der zuständigen Leitungsgremien (z.B. in der Ev.Kirche im Rheinland die Presbyterien, in der Protestantischen Landeskirche der Pfalz die Landessynode), in der katholischen Kirche die Kirchensteuerräte der jeweiligen (Erz-)Bistümer),
  3. die Zustimmung der jeweiligen Parlamente der Bundesländer zu den Kirchensteuergesetzen und schließlich,
  4. die Kirchensteuerpflichtigkeit des Kirchenmitglieds. Diese beginnt grundsätzlich mit der Taufe. Durch die Kirchenaustrittserklärung, je nach Bundesland vor dem Amtsgericht bzw. dem Standesamt, erlischt diese Verpflichtung.

Entsprechend den derzeit geltenden Kirchensteuergesetzen werden in Baden-Württemberg und Bayern 8%, in den übrigen Bundesländern 9% der Lohn- und Einkommensteuer als Kirchensteuer eingezogen.

Die Kirchensteuergesetzgebung der meisten Bundesländer (Ausnahmen sind Bayern und Mecklenburg-Vorpommern) und die entsprechenden Regelungen der meisten ev. Landeskirchen und der kath. (Erz-) Bistümer ermöglichen Kirchenmitgliedern eine "Kappung" der Kirchensteuer. Diese führt bei hohen Einkommen, die über der sog. Kappungsschwelle liegen, zur Absenkung der Kirchensteuer. Statt der gesetzlich vorgesehenen Höhe der Kirchensteuer begnügen sich die Kirchenleitungen mit einem gewissen Prozentsatz vom zu versteuernden Einkommen. Dieser Prozentsatz ist je nach Bundesland verschieden und schwankt zwischen 3 - 4%. In der Mehrzahl der Bundesländer erfolgt die Kappung von Amts wegen, d.h. das Finanzamt wählt den für den Kirchensteuerpflichtigen günstigsten Modus. In Berlin, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland wird die Kappung nur auf Antrag gewährt. - Es gibt keinen einklagbaren Rechtsanspruch auf Kappung gegenüber der Kirche, denn die steuererhebende Kirche ist "autonomer Gesetzgeber".

Derzeit nutzen die Möglichkeit des Kirchensteuereinzugs durch staatliche Organe:

Die evangelischen Freikirchen verzichten auf dieses Recht, da sie sich lehrmäßig zur Trennung von Kirche und Staat bekennen. Sie finanzieren ihre Arbeit durch freiwillige Mitgliedsbeiträge, die in der Regel höher sind als die Kirchensteuer.

Außer den genannten Freikirchen erheben auch weitere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und deshalb das Recht zur Erhebung der Kirchensteuer haben, keine Kirchensteuer. Dazu gehören u.a. die orthodoxen Kirchen, Christian Science, die Neuapostolische Kirche, die Christengemeinschaft sowie der Bund für Geistesfreiheit, der Humanistische Verband Nordrhein-Westfalen, die Freien Humanisten Niedersachsen und Die Humanisten Württemberg.

Die Länder behalten als Entgelt für den Einzug der Kirchensteuer je nach Bundesland unterschiedlich 2% (Bayern) bis 4,5 % (im Saarland) des Kirchensteueraufkommens ein, in der Regel 3%.

Die gezahlte Kirchensteuer ist gemäß EStG § 10 Abs. 1, Nr. 4 als Sonderausgabe in voller und unbegrenzter Höhe vom zu versteuernden Einkommen absetzbar. Diese Subventionierung der gezahlten Kirchensteuer ist sehr hoch. Das Bundesministerium der Finanzen hat den Betrag für das Jahr 2004 mit 3,750 Mrd € prognostiziert, (19. Subventionsbericht, Bundestagsdrucksache 01.10. 2003) Der Staat refinanziert die Kirchensteuerzahlung demnach zu ca. 40%

Umfang der Kirchensteuereinnahmen und deren Bedeutung für den kirchlichen Haushalt

Im Jahr 2004 betrug das Kirchensteueraufkommen in Deutschland:

  • Katholische Kirche 4,158 Mrd. Euro
  • Evangelische Kirche 3,689 Mrd. Euro
  • Gesamt 7,847 Mrd. Euro

Je nach Landeskirche bzw. (Erz-)Bistum machen die Kirchensteuereinnahmen zwischen 60 und 85 % des jeweiligen Haushalts aus.

In ihren jeweiligen Haushalten weisen die Landeskirchen bzw. (Erz-Bistümer) folgende Ausgabenposten auf (Angaben gerundet):

  • Katholische Kirche:
    • Personalkosten: ca. 60 %
    • Sachkosten, Verwaltung: ca. 10 %
    • Kirchenbauten: ca. 10 %
    • Schule und Bildung: ca. 10 %
    • Soziales und Caritatives: ca. 10 %
  • Evangelische Kirche:
    • Personalkosten: ca. 70 %
    • Sachkosten, Verwaltung: ca. 10 %
    • Kirchenbauten: ca. 10 %
    • Schule, Bildung, Soziales und Caritatives: ca. 10 %

Dem entprechend kann die Bedeutung der Kirchensteuer für den genannten Bereich abgeschätzt werden.


Die Kirchensteuer in der Kritik

Die Kirchensteuer (als Annexsteuer), die bekannteste Form der Kirchenfinanzierung, wird aus unterschiedlichen Perspektiven kritisiert. Die Kritik bezieht sich sowohl auf die Steuer als Instrument der Kirchenfinanzierung an sich als auch auf eine Reihe ihrer Auswirkungen und die Folgen ihrer Handhabung in den staatlichen und kirchlichen Raum hinein.


Kritik aus staatskirchenrechtlicher Perspektive

Von Gruppierungen wie dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. (IBKA), der Humanistischen Union und dem Humanistischen Verband Deutschlands wird u.a. folgende Kritik vorgetragen.

  • Das Kirchensteuerprivileg, obwohl grundgesetzlich verankert, widerspricht im Kern der ebenfalls grundgesetzlich festgelegten Trennung von Staat und Kirche, also der weltanschaulichen Neutralität des Staates.
  • Das Hoheitsrecht der Kirchen, als Körperschaften des öffentlichen Rechts Steuern zu erheben, diskriminiert andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die diesen Status entweder nicht erwerben können oder aus Glaubensgründen nicht erwerben wollen.
  • Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer fordert von allen abhängig Beschäftigten, auf der Lohnsteuerkarte ihren Konfessionsstatus anzugeben. Darin wird ein Verstoß gegen die negative Religionsfreiheit gesehen.
  • § 10 Abs.1 Nr. 4 EStG gestattet die unbegrenzte steuerliche Absetzbarkeit der gezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe. Laut Subventionsbericht der Bundesregierung hat dies die „Begünstigung anerkannter Religionsgesellschaften und ihnen gleichgestellter Religionsgemeinschaften aus kirchenpolitischen und sozialpolitischen Erwägungen“ zum Ziel. Diese Regelung bevorzugt solche Religionsgemeinschaften, die Kirchensteuern erheben gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Gruppen, deren Relevanz ebenfalls grundgesetzlich verankert ist, z.B. Parteien und Gewerkschaften.
  • Die „fiktive“ Kirchensteuer: Bei allen, auch den konfessionslosen BezieherInnen von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, des Vorruhestands- und Unterhaltsgeldes sowie des Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeldes wurde (bis zum Jahr 2004 einschließlich) ein Abschlag in Höhe der „fiktiv“ anfallenden Kirchensteuer vom Arbeitslosengeld vorgenommen, ein Betrag, der nicht den Kirchen zugute kam. Die Betroffenen wurden vielmehr Opfer der Verquickung von Staat und Kirche, denn die „einbehaltene Kirchensteuer“ wurde als „gewöhnlich anfallender Entgeltabzug“ bezeichnet. Erst mit der Neuregelung von ALG II ab 1. Januar 2005 ist diese Regelung weggefallen.

Zur Frage Rechtmäßigkeit dieser bis einschließlich 2004 geltenden Regelung ist noch ein Rechtsstreit beim Europäischen Gerichtshof anhängig.

In der Bundesrepublik Deutschland geriet die Kirchensteuer 1973 in Folge der „Freiburger Thesen“ der FDP in die Diskussion, da von der Partei die Trennung von Staat und Kirche und damit die Ersetzung des staatlichen Kirchensteuereinzugs durch ein kircheneigenes Beitragssystem gefordert wurde. In abgeschwächter Form finden sich diese Forderungen auch heute noch im Programm der FDP. Ähnliche Positionen wurden früher außerdem von der Partei „Die Grünen“ formuliert. Auch die Linkspartei lehnt sowohl die grundgesetzliche Verankerung der Kirchensteuer als auch deren staatlichen Einzug ab.

Kritik aus kirchlich-theologischer Perspektive

Von kirchen-reformerischen Gruppen werden zusätzlich folgende Kritikpunkte u.a. angeführt:

  • Der Steuer-Charakter dieser Kirchenfinanzquelle verschleiert, dass es sich bei ihr um den ganz persönlichen Mitgliedsbeitrag bei einer Glaubensgemeinschaft handelt.
  • Der staatliche Einzug der Kirchensteuer, der auch die Möglichkeit der Zwangsbeitreibung einschließt, lässt die Kirchen als staatliche Einrichtungen erscheinen.
  • Die Anbindung der Kirchensteuer an die Lohn- und Einkommensteuer lässt die Kirchensteuer teilhaben an den Ungerechtigkeiten und Verwerfungen dieser Steuerart. Des weiteren werden die Kirchen abhängig von der jeweiligen Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsmarktpolitik des Staates und den Tarifpartnern.
  • Nur ca. 30 Prozent der Kirchenmitglieder tragen per Kirchensteuer zur Finanzierung der Kirchen bei.
  • Das sogenannte „Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe“ ist eine echte Kirchensteuer. Sie wird von einigen katholischen Bistümern, z.B. in Nordrhein-Westfalen, nicht erhoben, weil eine größere Austrittswelle befürchtet wird.
  • Der staatliche Kirchensteuereinzug begünstigt und verfestigt bestimmte Kirchenstrukturen: die Entmündigung der Gemeinden und die Etablierung und Wucherung der Kirchenbürokratie.
  • Die Nicht-Zahlung von Kirchensteuern wird mit der härtesten Kirchenstrafe, der Exkommunikation, geahndet, obwohl dieses Delikt im Kirchlichen Gesetzbuch nicht existiert und nur einen deutschen Sonderstraftatbestand darstellt.
  • Ferner benutzen die Kirchen auch heute noch das Kirchensteuer-Zahlen als Druckmittel: ohne dieses können z.B. die Taufe von Kindern, die Patenschaft bei der Taufe und das Begräbnis verweigert werden.
  • Die Einrichtung der Kirchensteuer-Kappung stellt strukturell eine Option für die Reichen und Großverdiener dar.
  • Die Verquickung von staatlich verpflichtender Steuerzahlung und individueller Kirchenmitgliedschaft führt dazu, dass die Kirchen dogmatisch falsche Aussagen verbreiten: die Kirchen bezeichnen den standesamtlich bzw. amtsgerichtlich beurkundeten „staatlichen Kirchenaustritt“ ihrerseits auch als Kirchenaustritt. Einen Kirchenaustritt aber kennt die katholische Kirche nicht, auch nicht als Straftatbestand im Kirchlichen Gesetzbuch (CIC von 1983). Die durch die Taufe begonnene Kirchenmitgliedschaft ist nach katholischer Lehre unumkehrbar (Lehre vom unauslöschlichen Siegel). Dem entsprechend ist die Kennzeichnung „Wiedereintritt in die Kirche“ im Fall, dass per Eintrag auf der Lohnsteuerkarte wieder Kirchensteuer gezahlt wird, unzutreffend.

Mit Hinweisen auf die stetigen großen Zuwächse des Kirchensteueraufkommens in den letzten 50 Jahren konnten die Kirchensteuerkirchen jegliche theologische Kritik an der Kirchensteuer abblocken und unterdrücken. Die Kirchentagsleitungen beider Konfessionen z.B. schlossen Diskussionen um die Kirchensteuer auf ihren Veranstaltungen kategorisch aus. Lediglich nach 1990 gab es in der Evangelischen Kirche in Deutschland kurzfristig eine nennenswerte Diskussion, angestoßen von den Landeskirchen im Bereich der früheren DDR. Auf Grund ihrer Geschichte in der DDR forderten sie eine größere Distanz zum Staat, was teilweise in die Forderung einmündete, die staatliche Kirchensteuer ganz abzuschaffen.

Die Kritik aus kirchlich-theologischer Perspektive wurde katholischerseits von einzelnen Theologen (Prof. Dr. H.Mynarek, Prof. Dr. Horst Herrmann, in neuerer Zeit Prof. Dr. Paul Zulehner) und von verschiedenen kirchen-kritischen Gruppen vorgetragen, dem „Bensberger Kreis“, dem „Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V.“, der „Initiative Kirche von unten“, Ikvu, dem „Arbeitskreis Halle“ und der „Kirchenvolksbewegung“ bzw. „Wir sind Kirche“.

Auf evangelischer Seite war es z.B. der „Bund gegen Kirchensteuermißbrauch e.V. Bremen“. Der Dietrich Bonhoeffer-Verein hat in den letzten Jahren einen Reformvorschlag erarbeitet („Kultursteuer und Sozialsteuer statt staatlicher Kirchensteuereinzug“) Pfr. Karl Martin, hat diesen Vorschlag in seiner Publikation „Abschied von der Kirchensteuer“ vorgestellt. Bereits 1972 hatte der Kirchenkritiker Horst Herrmann eine Alternative vorgestellt, die später z.B. in Italien und Spanien eingeführt wurde (mit Zustimmung des Vatikans) und gegenwärtig in weiteren europäischen Ländern diskutiert wird, die sog. Mandatssteuer.

Siehe auch:

Literatur

  • Evangelische Kirche im Rheinland: Handbuch Gemeinde & Presbyterium. Kirche und Finanzen; Düsseldorf: Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland, 2005; ISBN 3-87645-106-X
  • Frerk, Carsten: Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2002; ISBN 3-932710-39-8
  • Frerk, Carsten: Caritas und Diakonie in Deutschland; Aschaffenburg: Alibri-Verlag, 2005; ISBN 3-865690-00-9
  • Gatz, Erwin, Geschichte des kirchlichen Lebens, Bd.VI Kirchenfinanzen, Freiburg: Herder Verlag, 2000; ISBN 3-451-23668-0
  • Herrmann, Horst: Kirche, Kapital, Klerus. Hintergründe einer deutschen Allianz; Münster: LIT, 2003; ISBN 3-8258-6862-1
  • Herrmann, Horst: Die Kirche und unser Geld. Daten, Fakten, Hintergründe; Hamburg: Rasch und Röhring, 1990; ISBN 3-89136-301-X
  • Herrmann, Horst: Kirchensteuer als Mandat? Eine Anfrage an Staat und Kirche; in: Stimmen der Zeit 97 (1972), S. 398-400
  • 19. Subventionsbericht, Bundestagsdrucksache vom 01.10. 2003, S. 113 2003

Zahlen und Fakten

Kirchensteuer in der Kritik

Evangelische Freikirchen zur Kirchensteuer

Weitere Informationen

  • Kirchensteuertelefon: Informationen zur Kirchensteuer und Kirchensteuerkappung über Kirchensteuertelefon (0800 713 713 7)