Tonikum

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Historischer Werbetext für ein Tonikum:
„...nach Fieber, BLUTVERLUST, SCHWÄCHEZUSTÄNDEN ist […] tonischer Wein vorzügliches HERZTONIKUM, ROBORANS...“

Als Tonikum (neulateinisch aus griechisch tonikòs „gespannt“; Plural Tonika) werden tonisierende, kräftigende[1] bzw. (ursprünglich Nerven und Fasern) stärkende Mittel (Stärkungsmittel) bezeichnet. Als Synonyme werden auch die Begriffe Roborans oder Roborantium (von lateinisch roborare „stärken“; Plural Roborantia)[2] sowie Kräftigungsmittel[3] verwendet. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Begriff Tonikum nur für äußerlich anzuwendende Mittel verwendet, Roborans für Mittel zum Einnehmen.[4] In der Regel sind es Tinkturen, also alkoholische Auszüge aus einem oder mehreren pflanzlichen oder tierischen Stoffen. Ihre Wirkung ist gering oder nicht vorhanden. In der Mehrzahl der Fälle sind sie freiverkäuflich und generieren einen beträchtlichen Umsatz in Apotheken und Drogerien.[5]

Tonika sind Präparate für den innerlichen oder äußerlichen Gebrauch (Arzneimittel – also solche auch pharmazeutisch Tonica remedia genannt –, Nahrungsergänzungsmittel, Kosmetika), die den Körper bzw. bestimmte Organe kräftigen sollen. Sie dienen weniger der Heilung von Krankheiten als vielmehr der Vorbeugung mittels einer besonderen Versorgung mit für gesundheitsfördernd gehaltenen Substanzen wie Vitaminen, Mineralstoffen, Lecithin und anderen. Zu den bekanntesten Tonika gehören Lebertran und Ginseng, auch die Coca-Cola in ihrer ursprünglichen Rezeptur, oder das Präparat „Frauengold“. Auch Auszüge der Heilpflanze Gelber Enzian werden in Tonika eingesetzt.

Der Name Tonic Water für Limonade begründet sich aus der symptomlindernden Wirkung des enthaltenen Chinins bei Infektionskrankheiten wie Malaria.

Als Roborans wurde früher auch Arsen(III)-oxid (Arsenik, As2O3) neben seiner Verwendung als Mordgift eingesetzt. Avicenna wies in seinem Kanon der Medizin, der Mitte des 12. Jahrhunderts von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt wurde und in der Folge bis ins 17. Jahrhundert das wichtigste Lehrbuch der abendländischen Medizin blieb, auf die kräftigende Wirkung des Arsenik hin, achtete aber aufgrund der ihm bekannten toxischen Wirkung auf eine genaue Dosierung.[6] Bergknappen oder Botengänger im Gebirge benutzen es zur Leistungssteigerung, Pferdehändler setzten es ein, um altersschwache Tiere besser verkaufen zu können.[7] Die weitverbreitete Einnahme von Arsentrioxid (genauer: Diarsentrioxid oder Arsen(III)-oxid) ging erst zurück, als seine krebsfördernde Wirkung erkannt wurde.

Auch Wein galt lange Zeit als Stärkungsmittel.[8][9]

Die Einwohner Südamerikas kauen in den Anden sowie im Tiefland des Gran Chaco seit Jahrhunderten Coca-Blätter mit Kalk wegen des beim Kauen durch Umwandlung des Kokains entstehende nicht suchterregenden Ecgonin, welches Hunger dämpft, Müdigkeit und Kälte verdrängt und wirksam gegen die Höhenkrankheit ist, da es die Sauerstoffaufnahme verbessert. Auch wird Coca als Tee und in anderen Verwendungsarten als Heilpflanze benutzt. Das Erfrischungsgetränk Coca-Cola wurde in der Zeit der Alkoholprohibition erfolgreich, da es zu dieser Zeit noch Kokain enthielt, und so gewissermaßen als Ersatz für Alkohol mit stärkender Wirkung genutzt wurde. Ebenso enthielt der Mariani-Wein Extrakte des Coca-Strauches. Dieser Wein galt ebenfalls als ein Tonikum.

Methamphetamin wurde zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in Pralinen als Hausfrauenschokolade, oder in Tablettenform als Stärkungsmittel an Soldaten ausgegeben. Auch andere Armeen im Zweiten Weltkrieg nutzen Amphetamin-Derivate. Adenauer, Kennedy, und Hitler sind bekannte Konsumenten der Substanz. Die Fliegerschokolade der deutschen Piloten des Zweiten Weltkrieges enthielt Koffein.

Das auf Weißdorn-Basis beruhende Präparat Korodin wurde als Herztonikum beworben.[10]

Tonika in der chinesischen Medizin

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Auch in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) haben Tonika ihren festen Platz. Nach der Auffassung der TCM regen sie den - und den Blut-Fluss an, beseitigen Blockaden und stärken die körpereigenen Abwehrkräfte. Sie werden in der chinesischen Medizin seit Jahrtausenden eingesetzt. Schon im „Huangdi Neijing“ (黃帝內經) wurden 13 Medizin-Rezepturen der späteren Wu-Familie als Beispiele beschrieben, um zu verdeutlichen, wie diese Medizin von innen her wirke, nämlich die Kräuter-Tonika (Tinkturen: Jiu), Kräuter-Kugeln (große Kugeln: Wan, kleine Kugeln: Dan), Kräuter-Sude (Abkochung: Tang) und Kräuter-Pulver (San).

Im „Han Gao Zong-Siegel-Buch“ wurden die Wu-Tonika wie folgt gepriesen: „Die beste Güteklasse der Medizin muss drei Eigenschaften haben: Geist, Essenz und höhere Energie. Diese drei müssen miteinander koexistieren; Essenz wandelt Energie um; Energie wandelt Geist um oder Geist wandelt Energie um und Energie wandelt Essenz um. Der stetige Kreislauf dieser Energie wirkt auf meinen ganzen Körper.“[11]

Zu Zeiten von Konfuzius (551–479 v. Chr.) galten die Tonika des Wu-Clans als das wichtigste Geschenk der Götter, neben der Jade und dem Tee. Ihre Verwendung geht auf Shen Nung zurück, der vor 5000 Jahren gelebt haben soll. Besonders in der elitäreren Schicht erfreuten sie sich großer Beliebtheit, und um die Einnahme wurde ein regelrechter Kult betrieben, der sich auch in den Riten der Zhou widerspiegelte. So gab es genaue Richtlinien, welcher Adelsrang Trinkkelche bestimmter Materialien (Jade, Gold, Silber, Bronze oder Keramik) und Formen für die Einnahme der Tonika benutzen durfte (Jue und Gu), auch Riten usw. waren festgelegt.

  • 黄帝内经 - Huang Di Nei Jing, Huang Cheng-Verlag - 花城出版社, 2004, ISBN 7-5360-4095-4.
  • HAN GAO ZONG-Siegel-Buch, Biographie eines der ersten Han-Kaiser
  • Lun Yu (Originaltext und Übersetzung), Zhong Gua-Verlag - 中华书局, 2006,ISBN 7-101-05418-8.
  • Shuo Wen Jie Zi - 說文解字, Zhong Hua-Verlag - 中华书局, 2004, ISBN 7-101-00260-9.
  • Susanne Grosser: Ärztekorrespondenz in der Frühen Neuzeit: Der Briefwechsel zwischen Peter Christian Wagner und Christoph Jacob Trew. Analyse und kommentierte Edition. De Gruyter, Berlin/Boston 2015, ISBN 978-3-11-041140-9 (Zugleich Philosophische Dissertation Die Korrespondenz zwischen den Ärzten Peter Christian Wagner (1703–1764) und Christoph Jacob Trew (1695–1769): Einblick in den Unterbau frühneuzeitlicher gelehrter Netze. Analyse und kommentierte Edition. Erlangen-Nürnberg 2014), S. 331, Anm. 15. Online.
  1. Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch. 6. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin / New York 1986, ISBN 3-11-007029-4, S. 1047.
  2. Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch. 6. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin / New York 1986, S. 902.
  3. Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch. 1986, S. 903.
  4. Susanne Grosser: Ärztekorrespondenz in der Frühen Neuzeit: Der Briefwechsel zwischen Peter Christian Wagner und Christoph Jacob Trew. Analyse und kommentierte Edition. Band 194 von Frühe Neuzeit. Walter de Gruyter, 2015, ISBN 978-3-11-041144-7, S. 331. (https://books.google.de/books?id=P4Q_CgAAQBAJ&pg=PA331&dq=roborantia+definition&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwitv6mUxraAAxX6hv0HHVJYBvkQ6AF6BAgGEAI#v=onepage&q=roborantia%20definition&f=false online)
  5. Urspeter Masche: Roborantien. In: pharma-kritik Jahrgang 22, Nr. 12.
  6. Rolf Giebelmann. Jahreszahlen zur Toxikologie 2005; Institut für Rechtsmedizin im Klinikum der Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald (PDF; 14 kB).
  7. PTA-Forum Arsen - Die Dosis macht das Gift; Silke Wedekind.
  8. Willy Louis Braekman: A Middle Dutch version of Arnald of Villanova’s Liber de Vinis. In: Janus Band 55, 1968, S. 96–133, hier: S. 124–125.
  9. Vgl. auch Vial’s tonischer Wein. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. CXVI (Anzeige von Vial & Uhlmann, Inh. Apoth. E. Rath, Frankfurt a. M).
  10. Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. XXXIV (Anzeige zu Spezialpräparaten der Robugen GmbH Esslingen).
  11. Im Original: 《高上玉皇心印妙经》云:上药三品,神与气精,精气神彼此作用互存,或精化气,气化神,或神化气,气化精,不断循环施化流行于吾人之周身。藥酒中所存在的氣也被科學所證實!
Wiktionary: Tonikum – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen